von Art Claas van der Heide | Sep. 13, 2024 | Allgemein, Training
Du hast den Begriff “Funktionelles Training” zu einhundert Prozent schon einmal gehört. Vermutlich trainierst du selbst funktionell oder möchtest damit anfangen. Sonst wärst du nicht auf diese Seite gestossen.
Functional Training kommt, wie so vieles, vom Begriff her aus den USA und wird daher auch oft mit dem englischen Begriff genutzt. Auch in Deutschland finden wir immer mehr Anbieter, die Functional Training, Funktionelles Training oder Funktionelles Fitness Training anbieten. Im Grunde alles dasselbe. Oder nicht?
Um das Functional Training ist mittlerweile ein solcher Hype entstanden, dass man nicht mehr davon ausgehen kann, dass auch functional drin ist, wo functional drauf steht.
Grund genug, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Wir wollen nciht nur herausfinden, was hinter dem Begriff des funktionellen Trainings steckt, sondern vor allem was die grundlegene Philosophie dahinter ist.
Um herauszufinden worum es beim Functional Fitness Training geht und schwarze Schafe enttarnen zu können, müssen wir drei Grundfragen klären:
- Was ist Fitness?
- Was ist Training?
- Was bedeutet „funktionell“ im Sinne des funktionellen Trainings?
-
Was ist Fitness?
Fitness Training. Das ist für viele der Inbegriff des stumpfen Gewichte Bewegens in einem Fitnessstudio. Die Meisten gehen zu ihrem Fitnesstraining, um Schmerzen auszumerzen, Gewicht zu verlieren oder besser auszusehen.
Aber wird das dem Fitnessbegriff gerecht? Nein.
Der Duden definiert Fitness als:
Substantiv, feminin – gute körperliche Verfassung, Leistungsfähigkeit [aufgrund eines planmäßigen sportlichen Trainings] (http://www.duden.de/rechtschreibung/Fitness).
Das trifft es schon ganz gut. Diverse andere Quellen fügen dieser Definition noch hinzu, dass eine eindeutige Erklärung des Begriffes sehr schwierig sei, da er nicht eindeutig festgelegt ist und von unterschiedlichen Personengruppen auch unterschiedlich interpretiert wird.
Fitness bedeutet im Grunde für eine bestimmte Aufgabe, einen Lebensumstand oder eine Sportart “fit” zu sein. Also die passenden Leistungsparameter aufweisen zu können, die für die erfolgreiche Erledigung der jeweiligen Herausforderung benötigt werden. Der Wortstamm kommt aus dem englischen “(to) fit = passen”.
Greg Glassman, der Erfinder von CrossFit® hat die wohl präziseste Beschreibung von Fitness in seinem Leitartikel “What is Fitness” ausgearbeitet. Eine völlig neue Art Fitness zu denken und zu definieren ist bzw. war das Ergebnis.
CrossFit® definiert Fitness als
„Increased work capacity across broad time and modal domains“, also erhöhte Arbeitskapazität über einen großen Zeitraum und verschiedene Disziplinen. Zu gut Deutsch: wir wollen in vielen Disziplinen und den unterschiedlichsten Zeitansätzen gut sein und vor allem besser werden, aber in keiner Disziplin mit Exzellenz glänzen.
Bei Heartcore Athletics glauben wir an genau diese Definition von Fitness und unterteilen unser Verständnis von Fitness daher in dieselben drei grundlegenden Standards:
Der Erste Fitness Standard:
Der erste dieser Standards bezieht sich auf die 10 physischen Grundfertigkeiten / physical skills. Diese sind:
1.) Kardiovaskuläre Ausdauer (Cardiovascular endurance)
2.) Durchhaltevermögen/Ausdauer (Stamina)
3.) Kraft (Strength)
4.) Beweglichkeit (Flexibility)
5.) Explosivität (Power)
6.) Geschwindigkeit (Speed)
7.) Koordination (Coordination)
8.) Agilität (Flinkheit/Gewandheit, Agility)
9.) Präzision (Accuracy)
10.) Balance
Jede Trainingsroutine entwickelt die Fitness des Trainierenden nur in so weit, wie sie diese Grundfertigkeiten trainiert. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Training und Üben (practice):
Verbesserungen von Ausdauer, Durchhaltevermögen, Kraft und Flexibilität erhalten wir nur durch Training. Der Begriff des Trainings bezieht sich dabei auf Aktivitäten, die durch messbare organische Veränderungen im Körper die Leistung des Trainierenden verbessern.
Im Gegensatz dazu können wir Koordination, Agilität, Balance und Präzision nur durch Üben verbessern. Üben bezieht sich also auf Aktivitäten, welche die Leistung durch Veränderungen im Nervensystem verbessern.
Power und Geschwindigkeit sind sowohl Adaptionen von Training als auch von Üben. Sie sind sozusagen Mischformen.
Der Zweite Fitness Standard
Das Lostrommel-Modell / Hopper-Model
Wir trainieren umfassend alle physischen Skills um vor allem auf eines vorbereitet zu sein: das Unvorhersehbare! Das ist sowohl für diejenigen wichtig, die eine umfassende Fitness für ihre beruflichen Herausforderungen benötigen, wie z.B. Soldaten, Polizisten, Rettungskräfte aber auch Pflegekräfte. Aber genauso wichtig für jeden der einfach bis ins hohe Alter einen guten Lebensstandard halten und aktiv sein möchte.
CrossFit® Headquarters erklärt den Ansatz an einer Lostrommel: Wenn man total unterschiedliche Übungen in eine Lostrommel wirft, vielleicht sogar sämtliche Übungen die es gibt, die Trommel rührt und dann diverse dieser Übungen herauszieht, um damit ein Workout of the Day zu gestalten, dann ist es nicht unser Ziel bei ein oder zwei dieser Übungen überragend zu sein. Wir wollen viel mehr alle relativ gut absolvieren.
„Pursue your weakness instead of becoming excellent in one discipline.“ lautet die von Coach Glassman ausgegebene Parole.
Und das macht für alle Alltags-Helden sowie Berufstätige im öffentlichen Dienst, Sicherheitsdienst und alle, die fit und gesund werden wollen, absolut Sinn.
Die Konsequenz aus diesem Modell ist die Erkenntnis, dass Fitness die Fähigkeit umschreibt in allen möglichen physischen Herausforderungen gut abzuschneiden.
Das gilt auch für unbekannte Aufgaben und solche, die in unendlichen Kombinationen variiert wurden. In der Praxis bedeutet das für den Athleten die Abkehr von spezifizierten Trainingsplänen, die nur eine physische Grundfertigkeit fokussiert aufbauen und den Rest vernachlässigen.
Die Natur und das Leben im Allgemeinen bieten immer wieder unvorhersehbare Herausforderungen. Immer wieder! Wir trainieren dafür, indem wir unsere Trainingsreize breit halten und konstant variieren.
Der Dritte Fitness Standard
Der dritte Fitness Standard bezieht sich auf die metabolischen Energiegewinnungswege. Die Energiegewinnung im menschlichen Körper kann auf 3 unterschiedliche Arten ablaufen:
a) über die Kreatinphosphatspeicher
b) über die Spaltung von ATP
c) über die Verbrennung von Fett unter Sauerstoffzufuhr
Dabei ist keiner der Energiegewinnungswege einzeln zu betrachten. Prinzipiell laufen sie immer mehr oder weniger gleichzeitig ab. Dennoch überwiegt unter sehr kurzer Belastung die Energiegewinnung über die Phosphatspeicher (Phosphagen). Hiermit generiert dein Körper einen Power-Output von 100%.Direkt im Anschluss übernimmt die Energiegewinnung aus den Glykogenspeichern (Glycolytic) die Oberhand. Dabei werden nur noch 70% des maximalen Powerlevels erreicht und sehr viel Laktat, also Milchsäure, produziert, die im Endeffekt zu Muskelversagen und Muskelkater führen kann.
Auf lange Sicht gesehen dominiert der oxidative Energiegewinnungsweg (Oxidative). Das heißt, dass hier die Energie hauptsächlich aus der Verbrennung von Fett geliefert wird, welches nur bei geringerer Intensität und unter Zuhilfenahme von Sauerstoff verstoffwechselt werden kann. Wir trainieren alle 3 Energiegewinnungswege. Dabei setzen wir durchaus zeitlich befristet einen Schwerpunkt auf einen bestimmten Energiegewinnungsweg. Das ermöglicht es dir, das Beste aus deinem Traiing herauszuholen. Dennoch wirst du in einer klassischen Trainingseinheit bei Heartcore Athletics mehr als einen dieser Wege brauchen und verbessern.
Aufgrund dieses Zieles können wir mit unserem Trainingsansatz keinen der Energiegewinnungswege optimal ausprägen. Aber das wollen wir auch nicht, denn das Ziel ist, dich zu einem richtig guten Allround-Athleten zu machen. Nicht zu einem Spezialisten.
Ganz deutlich sieht man das am folgenden Beispiel. Vergleichen wir je einen Sprinter, einen 800m Läufer und einen Marathonläufer in den Disziplinen 100m, 800m und Marathon. Dabei ist der 800m Läufer, allein von der Statur her, dem CrossFit® Sportler am ähnlichsten und soll daher unsere Athleten in diesem Vergleich vertreten. Schauen wir mal auf die vermutlichen Platzierungen
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100m |
800m |
Marathon |
Sprinter |
1 |
2 |
3 |
800m Läufer |
2 |
1 |
2 |
Marathonläufer |
3 |
3 |
1 |
Wie du siehst dominiert jeder in seiner eigenen Disziplin, aber der 800m Läufer belegt zweimal den zweiten und einmal den ersten Platz, während die beiden anderen Sportler mindestens einmal auf dem dritten Platz landen. Das soll veranschaulichen, dass der CrossFit® Athlet auch im Hopper-Modell voraussichtlich, im Vergleich zu spezialisierten Athleten, am besten abschneiden wird. CrossFit® trainiert also alle 3 Energiegewinnungswege, legt aber besonderen Fokus auf den glykolytischen Energiegewinnungsweg, wie er auch beim 800m Sprint am meisten gebraucht wird.
Universellle Fitness, also Fitness in unserem Verständnis, entwickelt und benötigt Fähigkeiten und Kompetenzen in allen drei Energiegewinnungswegen. Im Bereich des MetCon (Metabolic Conditioning) widmen wir uns daher in jeder Trainingseinheit dem Ausbalancieren der Trainingsmethoden für diese drei Energiegewinnungsarten deines Körpers. So wirst du, bei regelmäßigem Training, zu einem echten Allround-Athleten.
2) Was ist Training?
“Ich gehe zum Training” ist mittlerweile ein geflügelter Begriff geworden, der oft zu verallgemeinert genutzt wird.
Egal, ob jemand in ein Fitnessstudio geht, in eine CrossFit Box® oder zum nächsten Calisthenics Ground oder zum Spielplatz um die Ecke. Wer ohne ein Ziel und ohne Plan “trainiert”, der trainiert nicht. Er/sie bewegt sich! Oder er/sie macht Sport. Das können wir gelten lassen.
Training ist der Inbegriff des Besser Werdens. Um von einem Ausgangspunkt A zu einem Zielpunkt B zu kommen, müssen wir trainieren.
Dazu benötigen wir in allererster Linie einen Test, der uns sagt wo unser Ausgangspunkt A denn so liegt. Das kann, wie im Funktionellen Training oft verwendet, ein Benchmark Workout sein, dass deine Maximalkraft testet, deine Schnellkraft oder deine Kraftausdauer. Es kann auch ein Dauerlauf sein oder ein Belastungs-EKG. Die Möglichkeiten sind schier unendlich.
Jetzt ist es schön, wenn du deinen Ausgangspunkt kennst, aber du möchtest den gemessenen Leistungsparameter ja verbessern. Du willst dein Ziel erreichen.
Ein Ziel zu setzen ist also ein weiterer wichtiger Eckpfeiler, um trainieren zu können. Ohne Ziel gibt es keinen strukturierten Plan. Ohne Ziel kann es keine sinnvolle Periodisierung geben und auch keine sinnvolle Umsetzung. Kurzum, ohne Ziel ist alles doof.
Dein Fitness-Ziel kann dabei alles mögliche sein. Du könntest das Zweifache deines Körpergewichts squatten wollen, 20 Klimmzüge schaffen, das Benchmark WOD Fran in unter 2 Minuten durchhauen, einen Halbmarathon in unter 2h rennen wollen, ein Lacrosse-Spiel besser durchhalten können oder das Auswahlverfahren einer Spezialeinheit bestehen wollen.
Wir haben oben gelernt, dass Fitness sich in die Teile GPP und SPP unterteilen lässt. Die bereits genannten Ziele sind eher im SPP Bereich zu sehen. Dein GPP-Ziel könnte aber auch sein, einfach für das Alter “fit” zu sein, und deine persönlichen 80er-Jahre zu rocken. Das ist schwer zu messen, aber möglich. Genau hierfür sind die Benchmark WODs im CrossFit® gedacht, die mittlerweile von vielen anderen Fitness-Anbietern, insbesondere im App-Bereich, übernommen wurden. Sie bilden eine Bandbreite von physischen Fähigkeiten ab. So erhältst du einen guten Rundumschlag über die Ausprägung der Leistungsfähigkeit deiner Energiegewinnungswege sowie deiner Bewegungskompetenzen. Auf der Grundlage kannst du dann den Fortschritt mit dem von dir ausgewählten Trainingsprogramm messen.
Lass mich kurz etwas ausholen, damit wir uns auch richtig verstehen. Grundsätzlich kannst du immer und überall Training durchführen. Ob du nun im Studio an Geräten trainierst oder an Freihanteln, Kettlebells, deinem örtlichen Klettergerüst oder in einem kleinen Hotelzimmer. Solange du weißt wo du stehst und wo du hinwillst kannst du trainieren. Oft wird auf Zumba herumgehackt, da es kein Training sei. Aber nehmen wir einmal an, dass jemand seine Ausdauerleistungsfähigkeit verbessern möchte und sie mit einem 30 Minuten Dauerlauf misst. Anschließend geht er/sie in eine gut strukturierte Zumba-Schule. Hier wird die Intensität der Stunden variiert, was die Energiegewinnungssysteme unterschiedlich belastet. Nach 3 Monaten Zumba kommt der Re-Test, der einen Fortschritt aufzeigt. Grundsätzlich wurde hier also trainiert. Genauso können wir dieses System auf andere Sportarten oder auf Fitness-Apps wie Freeletics anwenden. Das System hinter den meisten angebotenen Produkten ist gut! Bei nahezu allen steckt eine Periodisierung oder ein System dahinter. “Scheiße” wird es oft erst durch die Art und Weise wie die Menschen es umsetzen. Wenn zum Beispiel eine bestimmte Intensität vom Trainer angedacht war, die aber nicht getroffen wird, dann kann auch das Gesamtsystem nicht mehr funktionieren. Mehr dazu später unter “Intended Stimulus”:
Kurz zusammengefasst: Training ist nur dann “echtes Training”, wenn wir einen Ausgangspunkt und einen Zielpunkt haben auf deren Grundlage ein strukturiertes Training aufgebaut wird. Training bedeutet grundsätzlich Fortschritt. Ohne Fortschritt betreiben wir “nur” Sport oder bewegen uns.
3) Was bedeutet Funktionell im Sinne des funktionellen Trainings?
Funktionell bedeutet in allererster Linie, dass es auf die individuellen Bedingungen ausgelegt ist. Ein Feuerwehrmann oder ein Soldat, der funktionell für seine Arbeit trainieren möchte, muss anders an die Sache heran gehen als ein Desktop Warrior, der vor allem die Auswirkungen seiner Schreibtischarbeit korrigieren möchte.
Verstehst du, was ich meine? Der eine muss mit schwerer Zusatzausrüstung und einer Atemschutzmaske, die das Atmen erschwert für eine längere Zeit eine sehr umfassende körperliche Tätigkeit ausführen, während der andere körperlich eher inaktiv ist und dadurch entstehende Beschwerden ausgleichen sollte. Ist es nun für den Desktop Warrior eine gute Idee mit einem Rucksack Treppen rauf und runter zu rennen, um funktionell zu trainieren? Höchstens, wenn er als Hobbysportler bei CrossFit® Wettkämpfen teilnehmen möchte oder in der freiwilligen Feuerwehr dient.
Das Gesamtbild des Functional Training ist daher schwieriger zu fassen und für die meisten Fitnesskunden irrelevant. Der Großteil der Fitnesssportler möchte seinen allgemeinen Leistungsniveau erhöhen, also im GPP Bereich trainieren. Daher bezieht sich die Fitness Industrie auf eine einfachere, kompaktere Definition für Functional Training.
“Funktionell” bedeutet, dass mit freien Gewichten oder dem eigenen Körpergewicht trainiert wird, möglichst die gesamte Bewegungsamplitude der beteiligten Gelenke ausgeschöpft wird und mehrere Gelenke in allen drei Bewegungsebenen an der Bewegung beteiligt sein sollten. Man spricht dabei auch vom dreidimensionalen 3D-Training.
Diese Defintion ist sehr universell und kann im Grunde auf die spezifischeren Beispiele, die wir oben genannt haben, umgemünzt werden.
Um im Allgemeinen zu bleiben: das grundsätzliche Ziel des Functional Trainings, wie wir es im Fitnessbereich kennen ist die Steigerung der GPP, das Ausmerzen von Dysbalancen und die Verbesserung der Bewegungskompetenzen. Dazu gehört neben dem Mobilitäts- und Stabilitäts-Training, sowie der Verbesserung der Energiegewinnungswege auch und vor allem das Krafttraining.
Das Krafttraining ist die absolute Grundlage deiner Leistungsfähigkeit (siehe dazu der Artikel “Warum Kraft deine Grundlage ist, in der Men’s Fitness). Um den oben genannten Defitinionspunkten des Functional Training gerecht zu werden, solltest du dein Krafttraining mit mehrgelenkigen, freien Übungen ausführen. Diese können aus dem einfacher auszuführenden Powerlifting (Kraftdreikampf) kommen und somit Deadlift, Squat und (Bench-)Press beinhalten. Oder sie können aus dem Kettlebell Training, dem olympischen Gewichtheben (Oly Lifts), dem Sandsack Training oder dem Medizinball Training kommen.
Wenn dein Trainingsziel die Verbesserung deiner allgemeinen Leistungsfähigkeit (GPP) ist, solltest du dabei immer die größtmögliche Bewegungsamplitude nutzen. Aber nur solange du die Übung auch sauber in diesem Bewegungsradius ausführen kannst. Mit den Worten des Functional Training Gurus Gray Cook “First move well, then move often”.
Der meistens verwendete Begriff für die Bewegungsamplitude, also den Umfang deiner Bewegung in einem bestimmten Gelenk, ist RoM – Range of Motion.
Solltest du ein sportartspezifisches Ziel haben kann auch eine Dysbalance für dich von Interesse sein. Beispielsweise Kanuten, die immer auf einer Seite paddeln und ihren Wettkampf gewinnen möchten haben größeres Interesse an einem starken Zug, als an zusätzlicher Muskelmasse auf der “falschen Seite”. Auch wenn dies sie im Allgemeinen “gesünder” machen würde (vgl. das Sickness-Wellness-Fitness Kontinuum von Greg Glassman das besagt, dass Fitness eine Art “Super-Gesundheit” ist).
Quarter-Squats (1/4-Kniebeugen), also Kniebeugen bei denen man nur ein Viertel des vollen Bewegungsumfangs ausführt, werden in der Fitness Training Szene oft verschrien. Grundsätzlich stimmt das auch, wie wir oben erfahren haben – wir wollen ja die volle RoM nutzen.
Aber denken wir an Volleyballspieler, die ihre Explosivität für den Sprung am Netz verbessern wollen. Aus welcher Position starten diese Spieler? Richtig, aus dem 1/4-Squat oder der so genannten athletischen Grundposition. Kein Mensch wartet in der tiefen Hocke vorm Netz. Und der längere Weg bringt auch keinen Höhengewinn. Unter Umständen könnte ein Quarter-Squat für Volleyballspieler also durchaus funktionell sein.
Insofern urteile nicht zu schnell über richtig oder falsch im Sinne des funktionellen Trainings. Aber hinterfrage in jedem Fall die Hintergründe und/oder Beweggründe für eine Übung.
“Fitness” ist also gar nicht soooo easy zu definieren. Es ist zwar “fit” sein, aber dir Frage ist immer wofür? Die Antwort darauf fällt sehr individuell aus. Ob eine Übung für dich also funktionell ist hängt von deinem Ausgangs- und Zielzustand ab. Um von Ersterem zu Letzterem zu kommen bedarf es einer Analyse oder eines Assessments, darauffolgenden strukturiertem Training und schließlich folgt die gewünschte Performance. Für mich ist daher Fitness unbedingt mit dem Dreiklang ATP zu verbinden und der steht in diesem Fall für meine Vorgehensweise im Coaching:
ASSESS – TRAIN – PERFORM
von Art Claas van der Heide | März 9, 2024 | Allgemein, Training
Als taktischer Athlet oder “Tactical Athlete” bezeichnen wir alle Berufsgruppen, die Uniform tragen und ihre Fitness als Grundlage benötigen um ihren Job ausführen zu können.
Fitness ist in dem Fall kein Selbstzweck, sondern nicht zuletzt eine grundlegende Notwendigkeit die das eigene Leben, das der Kameradinnen und Kameraden oder das von Dritten retten kann.
Mein Ansatz zum optimalen Training für taktische Athleten entwickelt sich stetig weiter. Heute sprechen wir über den aktuellen Stand.
Dazu klären wir zunächst einmal die unterschiedlichen Varianten von taktischen Athleten und anschließend die entsprechenden Anforderungen an die berufsspezifische Fitness.
5 Varianten von taktischen Athleten
Nicht alle Tactical Athletes sind gleich. Auch wenn sich viele Anforderungen an die körperliche Fitness überschneiden, gibt es ebenso einige Unterschiede.
Ich unterteile die Tactical Athletes daher in 5 verschiedene Farben. Dies ist eine Arbeitseinteilung und manch ein taktischer Athlet wird nicht perfekt/ausschließlich in eine solche Kategorie passen.
GRÜN
Als Grün werden landbasierte taktische Athleten eingestuft, die wir hauptsächlich im militärischen Bereich finden. Hierzu gehören die reguläre Infanterie, spezialisierte Kräfte (wie EGB, EOD) und die meisten Spezialkräfte (wie bspw. KSK, SAS, GSG-9).
Grün beinhaltet abschließend auch eine Variante der Feuerwehr, die wir im deutschsprachigen Raum allerdings selten finden: die Wildland Firefighter, also auf Wald- und Flächenbrände spezialisierte Einheiten. In Deutschland gibt es hierfür das Waldbrandteam. Im englischsprachigen Raum kennst du sie vielleicht als „Hot Shot Crew“ oder „Smokejumper“.
BLAU
Blau markiert werden alle Teams und Einheiten, die wasserbasierte Operationen durchführen können und daher spezifischere Anforderungen an die Schwimmleistung haben. Hier findest du beispielsweise das KSM, Minentaucher, Pioniertaucher, SEAL-Teams und Co.
SCHWARZ
Steht für die schwarzen Uniformen dieser Gruppe und somit für urban arbeitende taktische Teams, wie die Polizeieinheiten SEK (Spezialeinsatzkommando) oder eine BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit).
GRAU
Repräsentiert den Asphalt und steht für die Gruppe an Tactical Athletes, die sich hauptsächlich im regulären urbanen Umfeld bewegen: die Polizei im Streifendienst, Feldjäger (Militärpolizei), aber auch der Justizvollzug findet sich hier wieder. Kurzum: grau steht für „Law Enforcement Organizations“ (LEO) ohne spezialisierte (SWAT/SEK) Auftragslagen.
ROT
Rot repräsentiert klassisch Feuerwehren und Rettungsdienste einschließlich des THW. Und gerade hierzulande ist mir eines extrem wichtig: die Anforderungen für rote taktische Athleten gelten nicht ausschließlich für Berufsfeuerwehren und hauptberufliche Rettungskräfte, sondern auch für alle freiwilligen Feuerwehren und Sanitäter/Rettungskräfte, die diesen wertvollen Dienst in ihrer Freizeit leisten.
Fitness – die unterschiedlichen körperlichen Anforderungen für taktische Athleten
Goethe soll einmal gesagt haben: „Wer befehlen will muss klare Begriffe haben.“
Und so gehen wir in den Fußstapfen eines der größten Dichter und Denker – auf jeden Fall aber im Sinne der größtmöglichen Professionalität unserer Herangehensweise – erst einmal darauf ein über was wir uns im Folgenden genau unterhalten. Klären wir also erst einmal was unter den jeweiligen Fitnessaspekten zu verstehen ist.
RELATIVKRAFT
Die Relativkraft beschreibt dein Kraftniveau im Vergleich zu deinem Körpergewicht.
Taktische Athleten müssen nicht so stark wie irgendwie möglich sein. Sie müssen stark genug sein, um ihren Auftrag sicher und unverletzt ausführen zu können. Und das immer und immer wieder.
Wer zu viel Wert auf den Aufbau von Muskelmasse legt wird in anderen Bereichen einer umfassenden Fitness dafür „bezahlen“. Meist in den Bereichen Ausdauer und Kondition.
Das Kraftniveau ist also sehr wichtig. Allerdings geht es mir nicht um die absolute Kraft (also das absolute Gewicht dass du bewegen kannst) sondern um dein Kraftniveau im Verhältnis zu deinem Körpergewicht.
Was wir mit dem Fokus auf die Relativkraft verfolgen ist die Idee im Gesamtbild der körperlichen Leistungsfähigkeit möglichst stark zu werden – der Schwerpunkt liegt dabei auf dem „Kampfkraft-Fahrgestell“, also den Beinen und dem Core – und einen guten Kraftpuffer obendrauf zu setzen, um die Langfristigkeit unserer körperlichen Leistungsfähigkeit sicherzustellen.
Relativkraft bedeutet somit dass wir im Verhältnis zum Körpergewicht möglichst stark sein wollen und damit auch, dass wir eben nicht zu viel wiegen wollen.
Aktuell arbeite ich mit folgenden Zielwerten im Kraftbereich
Diese Zielwerte entspringen leider keiner einzelnen wissenschaftlichen Quelle sondern sind aus mehreren Quellen zusammengefasst. Dazu gehören in erster Linie Expertenmeinungen und Erfahrungen aus dem Bereich des Profisports sowie des Tactical Strength and Conditioning.
Einheitliche Werte sind hierfür nicht zu finden, da wir – um solche Werte wissenschaftlich fundiert zu ermitteln – jeden einzelnen Teilberuf in den einzelnen Berufssparten untersuchen müssten. Und die Arbeit macht sich keiner. Ich nutze die oben stehenden Werte als Anhaltspunkt. Wenn du diese erreichst kannst du mit Sicherheit sagen, dass du verdammt stark bist!
In der individuellen Trainingsplanung sollte vor allem berücksichtigt werden wie die Verhältnisse der Kraftwerte untereinander stehen. Das Ziel sollte sein alle Bereiche gleichmäßig gut weiterzuentwickeln, um einen abgerundeten Athleten mit geringstmöglichen Verletzungspotential zu erlangen.
In diesem Bereich arbeite ich mit den Erkenntnissen aus dem CrossFit Sport und folgenden Verhältnissen:
Frontsquat = 85% vom Backsquat
Deadlift = 125% vom Backsquat
Power Clean = 70% Backsquat und 100% Close Grip Bench Press
Strict Press = 75% Weighted Pull-Up
Close Grip Bench Press = 93% Weighted Pull-Up
Bedeutet der Fokus auf die relativen Kraftwerte nun dass Hypertrophie, also der Aufbau von Muskelmasse, für taktische Athleten ungeeignet ist?
Nein. Das kommt immer auf deinen Ausgangswert sowie auf deine „Farbe“ an. Die Meisten tun gerade anfänglich gut daran erst einmal ein gutes Ausgangsniveau an Muskelmasse aufzubauen.
Und auch im Verlauf einer sich stetig verändernden Periodisierung des Trainings sind Hypertrophiephasen immer mal wieder sinnvoll.
Aber du willst nicht zu viel Masse haben. Überschüssige Muskelmasse verbraucht Sauerstoff und Energie. Sie ist unnötiger Ballast für die meisten Tactical Athletes und macht dich eher langsam. Solltest du einmal auf dem Gefechtsfeld oder im Einsatz verwundet werden ist sie unnötige Zusatzbelastung für diejenigen, die dich versorgen müssen. Masse ist nicht immer Macht!
OBERKÖRPER HYPERTROPHIE
Auch im Oberkörper ist übermäßige Muskelmasse im taktischen Umfeld unzweckmäßig (Ja, auch wenn du es geil findest).
Übermäßig bedeutet in diesem Falle, dass ein „Mehr an Masse“ deine Leistungsfähigkeit in anderen Bereichen deutlich runter schraubt.
Eine Ausnahme bilden die taktischen Athleten des grauen Bereiches: Polizisten im Streifendienst, bei der Kriminalpolizei und Justizvollzugsbeamte.
Gerade Polizisten im Streifendienst sowie Beamte im Justizvollzug können ihr Gegenüber häufiger von Streitigkeiten abbringen, wenn sie bereits augenscheinlich sehr fit und stark sind. Und ob es dir gefällt oder nicht, dicke Arme, breite Schultern und eine aufrechte Körperhaltung implizieren genau das. [1]
Zudem begünstigt eine entsprechende Muskelmasse sowie ein hohes Kraftniveau im Oberkörper, sowie eine gute Griffkraft die Anwendung von unmittelbarem Zwang gegenüber Tatverdächtigen. Tatsächlich müssen wir auch das kleine Detail beachten, dass die Unterarme meist das Einzige sind, was bei Uniformierten gut sichtbar ist. Je stärker allein deren Erscheinungsbild desto besser kann die entsprechende Situation verlaufen [2] [3]
Daher ist Oberkörper Kraft und Masse ein wichtiger Aspekt für alle grauen Tactical Athletes in meinem Programming.
ARBEITSKAPAZITÄT
Hört sich unter dem englischen Begriff „Work Capacity“ mal wieder cooler an. Aber ob deutsch oder englisch: es ist der zentrale Bestandteil in dem alles zusammenkommt: Relativkraft, Absolutkraft, kardiovaskuläre Ausdauer, Kraftausdauer, Geschwindigkeit, Agilität, Präzision und mentale Fitness. Erst das Zusammenspiel aller Bereiche führt dazu, dass du in den kurzen, intensiven und hoch variablen Anforderungen deines Berufes und Sports glänzen kannst. In der Literatur verschmilzt der Begriff der „work capacity“ häufig mit dem der Kondition.
Die intensivsten taktischen Anforderungen – wie z.B. ein Feuerkampf, Orts- und Häuserkampf, Brandbekämpfung oder Verwundetenversorgung etc. – sind in aller Regel ebenso intensiv und abwechslungsreich wie es deine Workouts sein sollten. Wir befinden uns mittlerweile auf einem „anaerobic Battlefield“.[4]
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden arbeiten wir bei HEARTCORE Athletics mit den Ansätzen aus dem Tactical Strength and Conditioning (TSAC) sowie mit sportspezifischen Ansätzen um sowohl „PS auf die Straße zu bringen“ (bspw. mit Kraftsteigerung, Sprintfähigkeit, Agilität) als auch „Staying Power“ (z.B. durch Steigerung der Kraftausdauer, mentalen Fitness, oder kardiovaskulären Ausdauer) um diese PS langfristig halten zu können und eine umfassende Arbeitskapazität aufzubauen.
Aufgrund des anaeroben Gefechtsfeldes ist es für taktische Athleten unumgänglich auch die Sprintfähigkeit und deren Wiederholbarkeit zu trainieren. Dabei ergibt es wenig Sinn dies ständig unter der vollen Last der Zusatzausrüstung durchzuführen. Wir setzen in diesem Fall mehr auf Sprint- und Agilitätstraining aus dem Leistungssport um eine solide Basis zu schaffen und ein langfristig hohes und durchhaltbares Leistungslevel zu erreichen ohne deine Gesundheit zu beeinträchtigen.
AUSDAUER & KONDITION
Die kardiovaskuläre Ausdauer ist eine der grundlegendsten physischen Fertigkeiten für alle Tactical Athletes.
Denn auch die anaerobe Leistung fußt auf einer guten aeroben Leistungsfähigkeit. Man nennt es nicht umsonst Grundlagenausdauer.
Zudem können wir uns mit einer stabilen aeroben Grundlage schneller von den anaeroben Anforderungen im Job erholen und sind somit schneller wieder einsatzbereit. Auch wenn wir mit Trainingsansätzen im High Intensity Interval Training (HIIT) wie bspw. dem Tabata Protokoll eine Verbesserung der aeroben Leistungsfähigkeit sehen können, braucht es für den Tactical Athlete dennoch auch lange Trainingseinheiten.
Warum? Weil meine Erfahrung, wie beispielsweise in der Vorbereitung auf den Commando Moniteur[5], zeigt dass die kurzen, knackigen Einheiten dich zwar auch auf einen einzelnen Tag mit längeren Belastungen vorbereiten, aber sobald weitere direkt hinten dran gehängt werden benötigst du eine ausreichend gute Kondition (Stamina) um dieselbe Belastung erneut leisten zu können.
Im Englischen unterscheidet man die Ausdauer in die kardiovaskuläre Ausdauer sowie die „Stamina“ was am ehesten als Durchhaltevermögen zu bezeichnen ist, während die kardiovaskuläre Ausdauer die Fähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems beschreibt Sauerstoff aufzunehmen, zu transportieren und zu verwenden. Die Ausdauer konzentriert sich also vor allem auf die Energiegewinnung während einer Belastung und umfasst häufig eine einzelne Bewegungsform (wie beispielsweise beim Laufen).
Ausdauer ist als „Fähigkeit eine bestimmte Belastung mit minimaler Ermüdung aufrechtzuerhalten“[6] zu finden in langen Märschen sowie als Grundlage bei mehrtägigen Einsätzen oder Lehrgängen.
Kondition hingegen umschreibt das Durchhaltevermögen und bezieht somit mehrere konditionelle Grundlagen mit ein wie beispielsweise die Kraft, Kraftausdauer oder Explosivität. Sie umschreibt die „Fähigkeit eine bestimmte Belastung mit minimaler Ermüdung zu wiederholen“[7].
Im taktischen Umfeld finden wir das im Orts- und Häuserkampf bei dem du dich gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum von Raum zu Raum kämpfen musst und pro Raum mit „Speed, Surprise and violence of action“ brillieren willst.
Konditionstraining für den taktischen Athleten sollte daher eher im Bereich des Mixed-Modal Trainings liegen – was einige am Ehesten als ein klassisches, aber langes CrossFitÒ Workout interpretieren mögen.
Mehr Informationen über diesen Trainingsansatz für das Cardio-Training findest du in meinem Podcast zum Thema „Lebenslüge Cardio“[8].
Wir sollten zudem bedenken, dass nicht jede Cardio-Fähigkeit gleichwertig ist. Nur weil ich ein guter Läufer bin, kann ich noch lange nicht gut auf dem Fahrradergometer performen (wie doof, dass Leistungstests immer darauf stattfinden nicht wahr?). Nur weil ich hervorragend mit Gepäck marschieren kann bedeutet das noch lange nicht, dass ich auf dem Ruderergometer ebenso gut performe.
Für taktische Athleten gilt es der immensen Vielfalt der beruflichen Herausforderungen gerecht zu werden, indem wir auch die kardiovaskuläre Ausdauer auf unterschiedlichste Weise trainieren.
Die spezifische Ausdauerleistungsfähigkeit variiert je nach Farbe stark und sollte individuell im Programming berücksichtigt werden.
Feuerwehrleute sowie grüne Athleten profitieren beispielsweise immens vom Rucksacksport aka Marsch mit Gepäck, da das Tragen von Zusatzausrüstung über einen längeren Zeitraum zum Alltag gehört. [9]
Dabei setzen wir auf 2 Ansätze: (1) die Steigerung der aeroben Basis durch lange, langsame Märsche sowie die (2) Geschwindigkeitssteigerung mit kurzen, schnellen und intensiven Intervallen.
Gerade rote Athleten im Bereich der Feuerwehren benötigen eine hohe kardiovaskuläre Ausdauer, da wir im Feuerwehreinsatz durchschnittlich eine Herzfrequenz von 84-100% der maximalen Herzfrequenz und ein Sauerstoffaufnahmelevel von 63-97% des Maximalwertes sehen. [10] [11] [12] Eine höhere maximale Sauerstoffaufnahmekapazität ist daher von großer Bedeutung. Andererseits sehen wir auch Blutlaktatwerte von 6-12 mmol/Liter was wiederum klar macht, dass auch die anaerobe Belastung hier sehr hoch liegt.[13][14]
Kein Wunder also, dass in den letzten 2 Jahrzehnten Herzinfarkte für freiwillige wie auch Berufsfeuerwehrkräfte die häufigste Todesursache darstellten.[15] [16]
Blaue Athleten hingegen setzen den spezifischen Anteil besser in ihr entsprechendes Element: das Wasser. Dabei ergibt es Sinn die berufsspezifische Ausdauer dieser Fertigkeit zum größten Teil mit Flossen zu absolvieren, um die Hüftbeuger und Beinmuskulatur für Tauchgänge spezifisch zu trainieren.
Unsere grauen Tactical Athletes hingegen sehen sich einer eher sesshaften Tätigkeit gegenüber. Rund 80-90% des regulären Polizeidienstes weist ein metabolisches Äquivalent von 1,6 auf und ist damit genauso körperlich fordernd wie Sitzen. Dennoch müssen sie dazu in der Lage sein aus diesem Ruhezustand schnell zu agieren und direkt in sehr hohe Intensitäten wie bei einer Verfolgung zu Fuß überzugehen. Die durchschnittliche Laufstrecke beläuft sich dabei auf 87m bei einer gesamten Bandbreite von 5-350m. Also müssen unsere „Grauen“ schnell die Intensität wechseln können und benötigen ein hohes Maß an anaerober Kapazität. [17]
S-P-A
Was für andere ein Begriff ist, der Wellness und Erholung implementiert beudetet für uns „Speed, Power und Agility“.
Schließlich fühlen wir uns als Tactical Athletes ja auch direkt wohler wenn wir schneller erholen und ein ausreichend hohes Maß an Speed, Power und Agilität als Grundlage deiner taktischen Kondition ist dafür unabdingbar. Insbesondere dann, wenn wir eine lange und gesunde Karriere ins Auge fassen statt einem kurzen Abstecher in die Welt der Einsatzkräfte.
Speed, Power und Agility sind mehr oder minder die Definition von Athletik. Und wer sich als Tactical Athlete versteht sollte eben auch seine Athletik trainieren.
Das Ziel im Bereich Agility ist es Richtungswechsel- und Reaktionsdrills aus dem Leistungssport zu nutzen und für den taktischen Kontext zu übersetzen. Schließlich liegt das „Warum“ unseres Trainings immer noch zentral im Fokus. Agilität bildet eine unabdingbare Fähigkeit um beispielsweise im Orts- und Häuserkampf oder generell hektischen und unübersichtlichen Situationen bei Rettungskräften die Richtung der eigenen Bewegung schnell aber kontrolliert ändern zu können.
Im Bereich der Power wollen wir die Fähigkeit verbessern (sub)maximales Gewicht schnell zu bewegen sowie den eigenen Körper explosiv bewegen zu können. Wenn du mehr über die einzelnen physischen Grundfertigkeiten wissen möchtest findest du detaillierte Informationen in meinem Artikel zu den „10 physischen Grundfertigkeiten“[18].
MOBILITÄT
Auch die Mobilität ist ein wichtiger Faktor für die Leistungsfähigkeit und vor allem die Langlebigkeit eines Tactical Athletes. Dabei ist mir wichtig zu verstehen, dass wir nicht an der Flexibilität, also der Fähigkeit ein Gelenk in den größtmöglichen Bewegungsumfang zu bringen, arbeiten sondern an der Mobilität. Das ist die Fähigkeit die größtmögliche Bewegungsamplitude einzunehmen in der wir eine von dort ausgehende Bewegung stabilisieren und kontrollieren können[19]. Einsatzkräfte müssen bei Weitem keine hyperflexiblen Yogis sein. Aber sie sollten in der Lage sein für die notwendigen Bewegungen in die bestmögliche Ausgangsposition zu kommen, um effektiv und effizient performen zu können. Das Mobilitätstraining wird auf Grundlage des persönlichen Assessments über die spezifische Übungsauswahl im Krafttraining integriert, da die aktuelle Studienlage belegt, dass ein Krafttraining über vollständige Bewegungsamplituden in gleichem Maße wie ein Beweglichkeitstraining sowohl in akuten wie auch chronischen Vergrößerungen der Gelenkreichweite bzw. Dehnfähigkeit resultiert[20].
Das bedeutet: die langfristig besten Ergebnisse im Bereich der Beweglichkeit erhalten wenn wir nicht nur einen Muskel dehnen sondern vor allem in seinem vollen Bewegungspotential nutzen und den entsprechenden Gegenspieler stärken[21]. Nur bei Bedarf ist eine explizites Beweglichkeitstraining für einzelne Körperpartien sinnvoll um individuelle Schwachstellen auszumerzen.
CORE INTEGRITY
Core Integrity ist der zentrale Bestandteil meiner Trainingsphilosophie. Es geht darum, den Rumpf (engl. „Core“) im Training immer zu integrieren.
Dabei geht es überhaupt nicht darum mehr Sit-Ups und Crunches in das Training einfließen zu lassen. Unser Rumpf arbeitet nicht isoliert vom Rest des Körpers. Wieso sollten wir ihn isoliert trainieren?
Beim Prinzip der Core Integration geht es vielmehr darum Rumpfkraft in Verbindung mit unserem allgemeinem Kraftlevel und der motorischen Kontrolle der Bewegungen aufzubauen. Kurzum: wir trainieren die berufsspezifischen Bewegungsmuster anhand von Übungen mit einer hohen Anforderung an die Rumpfkraft und Rumpfstabilität.
Dazu werden die Trainingsübungen meist stehend oder kniend durchgeführt. In den seltensten Fällen trainieren wir den Core im Liegen. Dafür nutzen wir Ganzkörperübungen wie den Turkish Get-Up oder Power Clean ebenso wie Rotationsübungen (bspw. Single Arm Banded Rotations) und Anti-Rotations-Übungen wie den Art Press.
Seit der Integration dieses zentralen Prinzips sehe ich zunehmend eine inverse Verletzungsrate unter meinen Athletinnen und Athleten. Klingt wieder hochtrabend, aber es bedeutet nichts anderes als dass sich diejenigen die dem Training der Core Integrity folgen sich weniger im Sport und Dienst verletzen und über weniger Schmerzen klagen.
Hybrid Athlet als ultimatives Ziel
Wenn wir uns einen ultimativen taktischen Athleten vorstellen dann wäre dieser das Paradebeispiel eines hybriden Athleten.
Für Einsatzkräfte kommt es nicht darauf an in einer spezifischen Disziplin absolute Höchstleistung zu erbringen. „Kriegsentscheidend“ ist vielmehr eine breite Basis und allgemein überdurchschnittlich hohe Leistungsfähigkeit in allen Bereichen vorweisen zu können.
Im taktischen Kontext wollen wir in der Lage sein Menschenleben zu retten, Material zu tragen, lange durchzuhalten aber auch immer und immer wieder mit einem hohen Maß an Explosivität und Durchschlagskraft performen zu können.
Für mich kommt es daher auf den „taktischen Dreiklang“ an: stark, agil und durchhaltefähig – wollen wir sein und bleiben. Und das im Kopf und Körper.
Finish strong,
Art
Quellenverzeichnis
[1] https://www.policemag.com/training/article/15346232/the-patrol-athlete
[2] Rhea et al, 2015 https://journals.lww.com/nsca-scj/fulltext/2015/08000/needs_analysis_and_program_design_for_police.5.aspx
[3] https://www.policemag.com/training/article/15346232/the-patrol-athlete
[4] Kraemer et al., 2012, Strength Training for the warfighter, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22643142/
[5] https://heartcore-athletics.com/commando-moniteur-alles-nur-kopfsache-wahr-oder-falsch/
[6] https://lehrbuch-biologie.springer.com/sites/default/files/atoms/files/leseprobe_ferrauti_7.pdf
[7] https://wolfgangunsoeld.de/ausdauer-vs-kondition-twup-59/
[8] https://www.youtube.com/watch?v=LYigw12GG78
[9] Vgl. Alvar et al., 2017 „NSCA’s Essentials of Tactical Strength and Conditioning“
[10]Sothmann, MS, Saupe, K, Jasenof, D, and Blaney, J. Heart rate response of firefighters to actual emergencies: implications for cardiorespiratory fitness. J Occup Med 34:797-800, 1992.
[11] Von Heimburg, ED, Rasmussen, AK, and Medbo, JI. Physiological responses of firefighters and performance predictors during a simulated rescue of hospital patients. Ergonomics 49:111-126, 2006.
[12] Williams-Bell, FM, Villar, R, Sharratt, MT, and Hugh- son, RL. Physiological demands of the firefighter candidate physical ability test. Med Sci Sports Exer 41:653-662, 2009.
[13] Gledhill, N, and Jamnik, VK. Characterization of the physical demands of firefighting. Can J Sports Sci 17:207-213, 1992.
[14] Von Heimburg, ED, Rasmussen, AK, and Medbo, JI. Physiological responses of firefighters and perfor- mance predictors during a simulated rescue of hospital patients. Ergonomics 49:111-126, 2006.
[15] Fahy, RF, LeBlanc, PR, and Molis, JL. Firefighter Fatal- ities in the United States, 2010. Quincy, MA: National Fire Protection Association, 2011
[16] Yang, J, Teehan, D, Farioli, A, Baur, DM, Smith, D, and Kales, SN. Sudden cardiac death among firefighters ≤45 years of age in the United States. Am J Cardiol 112:1962-1967, 2013.
[17] Rhea et al, 2015 https://journals.lww.com/nsca-scj/fulltext/2015/08000/needs_analysis_and_program_design_for_police.5.aspx
[18] https://heartcore-athletics.com/die-10-physical-skills/
[19] Vgl. Steinhöfer, 2015, Athletiktraining im Sportspiel, https://www.beck-shop.de/steinhfer-athletiktraining-sportspiel/product/15998252
[20] Afonso et al., 2021, Strength Training vs. Stretching for improving range of motion; a systemativ review and meta-analysis, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33917036/
[21] Vgl. Remmert, 2020 „Beweglichkeitstraining“, https://www.sponet.de/Record/4065444
von Art Claas van der Heide | Mai 21, 2022 | Allgemein
Die Lüge über das Ausdauertraining, die dein Leben verändern könnte.
Wenn’s um Cardio geht ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du dein Leben lang belogen wurdest! Warum?
Na, was fällt dir beim dem Begriff „Cardio“ ein? An welche Trainingsform, an welche Trainingsgeräte denkst du?
Wenn es dir wie den Meisten geht, dann schweifen deine Gedanken in Richtung der Laufschuhe, Laufbänder, Stepper, Fahrräder oder Ergometer ab, richtig?
Das sind mit Sicherheit die beliebtesten Geräte bzw. Trainingsformen für das „Cardio“ oder Ausdauertraining. Leider sind viele auch der Meinung, dass ausschließlich diese Form der Bewegung ihre Ausdauer trainiert. Und genau hierin liegt die „Lebenslüge Cardio“. Denn wenn du meinst du müsstest zwingend Laufen, Rudern, Radfahren und Co. um deine Ausdauer zu trainieren dann wurdest du bisher mächtig belogen.
Aber eins nach dem anderen…
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Was ist „Cardio“?
Um mit unserer Lebenslüge aufzuräumen, klären wir erst einmal was Cardio überhaupt bedeutet.
Bei diesem geflügelten Wort handelt es sich im Grunde um Fitness-Slang für den vollen Begriff „cardiovascular“ (englisch) oder eben auf deutsch „kardiovaskulär“, was ein Überbegriff für „Herz und Gefäße” ist.
Da insbesondere das Ausdauertraining positive Effekte auf dein Herz-Kreislauf-System birgt, hat sich der Begriff „Cardio“ sinnbildlich für das Ausdauertraining eingebürgert.
Gemäß der sportwissenschaftlichen Definition ist Cardio- oder Ausdauertraining jegliches Training das deine Atem- und Herzfrequenz erhöht und zum Ziel hat langfristig deine Ausdauer, also deine Ermüdungswiderstandsfähigkeit, zu verbessern.
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Warum überhaupt Cardio Training?
Deine Ausdauer in all ihren Ausprägungen ist neben deinem Kraftniveau die wichtigste Grundlage für deine Fitness und Gesundheit.
Die Ausdauer kannst du dir am besten vorstellen als Fähigkeit eine Intensität beliebiger Höhe möglichst lange aufrecht zu erhalten . Das macht auch klar wieso sie der leistungsbegrenzende Faktor für fast alle Sportarten und körperlichen Berufe ist: ein CrossFitter der schneller ermüdet schneidet einfach schlechter ab im Wettkampf. Ein Soldat, der schneller ermüdet als seine Kameraden, kommt später vom Marsch an oder ist nicht mehr so „kampffähig“ wie andere. Und der weniger fitte Rettungssanitäter, Soldat, Feuerwehrmann der zu Fuß in den 10. Stock muss? Nun ja, du kannst es dir vorstellen…
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Gesundheitliche Vorteile von Cardio
Nebst diesen Grundlagen für deine Performance bietet Ausdauertraining aber auch eine Menge gesundheitlicher Vorteile. Hier einmal die Wichtigsten im Überblick:
- Stärkung des Immunsystems (vgl. Hamer & Donovan, 2010)
- Veränderung des Hormonspiegels
- Senkt den Adrenalinspiegel in Ruhe und unter Belastung ( das verbessert die Herzfunktion, senkt den Blutdruck und stärkt die psychophyische Belastbarkeit)
- Die Insulinsensitivität der Muskeln steigt —> Prävention von Typ II Diabetes (Banfi et al., 2012)
- Verbesserung Herz-Kreislauf-System: das Herz arbeitet effektiver, Herzfrequenz und Sauerstoff-Verbrauch des Herzens sinkt in Belastung und Ruhe. Deine körperliche Belastbarkeit wird dadurch erhöht;
- Die Fließeigenschaften des Blutes werden verbessert (geringere Thrombose-Wahrscheinlichkeit)
- Das Lungenvolumen verbessert sich: du kannst mehr Sauerstoff aufnehmen
- Verbesserung deines Fettstoffwechsel: effizientere Nutzung von Fett als Energielieferant;
- LDL Cholesterin wird gesenkt und gefäßschützendes HDL gesteigert.
- Allgemeine Risikoreduktion: dank weniger Gefäßverkalkung geringe Wahrscheinlichkeit von Nierenversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck (Joe et al., 2014)
Kurzum: Ausdauertraining verbessert deine Leistungsfähigkeit auf allen Ebenen. Du brauchst also keine Sorge haben, dass von dieser Trainingsform dein Bizeps schrumpft. Im Gegenteil, es kann dir auch in Kraftleistungen zu mehr Power verhelfen!
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Warum vom Cardio der Bizeps nicht schrumpft…
Vielleicht kennst du schon mein Beispiel mit dem Wasserglas. Hier vergleichen wir das Kraftniveau mit der Größe eines Glases. In ein größeres Glas passt mehr Wasser, welches hier die Power und Fitness darstellt. Mit einem größeren Kraftniveau kannst du mehr Leistung bringen, da es dir möglich wird schwerere Gewichte in deinen Workouts zu bewältigen.
Nun kannst du dir vorstellen dass dein Ausdauerlevel ein Loch in diesem Glas repräsentiert. Während du oben fleißig Kraft oder Power reinfüllst, indem du schwer hebst und fleißig trainierst geht dir unten immer wieder etwas von deinem optimalen Fitnesslevel flöten.
Es fließt einfach so heraus. Unverschämt, wo du doch so hart dafür gearbeitet hast! Je besser deine Ausdauerleistungsfähigkeit, desto höher kannst du dieses Loch ansetzen. Wenn es auf einer ausreichenden Höhe ist verlierst du keine Leistungsfähigkeit mehr.
Wissenschaftlicher gesprochen: mit einem höheren Ausdauerniveau wirst du deine Muskeln während des harten/schweren Trainings besser versorgen können. Ein besser versorgter Muskel bringt bessere Leistung. So wie ein PS stärkeres Auto schneller fährt. Zudem regenerierst du weitaus besser und kannst früher wieder zu einem harten Workout starten.
All diese Benefits erreichst du mit einem sinnvoll gestalteten Ausdauertraining: #SMARTWORKPAYSOFF
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Die Energiebereitstellung macht den Unterschied
Es gibt unterschiedliche Bereiche der Ausdauer. Auf sie alle einzugehen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Der wichtigste Unterschied, den du jedoch verstehen solltest, insbesondere um die Lebenslüge für dich zu entkräften, ist die Unterscheidung der Ausdauer auf Grundlage der Energiebereitstellung.
Dabei gibt es einmal die aerobe und die anaerobe Ausdauer.
Aerob bedeutet, dass du eine relativ geringe Intensität in deiner Bewegung hast. Du kannst ausreichend Sauerstoff aufnehmen und gewinnst bei Anstrengungen die in den aeroben Bereich fallen, die meiste Energie aus Fetten.
In der anaeroben Ausdauer kannst du nicht genügend Sauerstoff aufnehmen, da die Intensität meist viel höher liegt. Es entsteht eine Sauerstoffschuld. Du gewinnst deine Energie überwiegend aus Kohlenhydraten oder bei sehr kurzen, hochintensiven Intervallen auch aus Phosphaten. Manchmal entsteht in der anaeroben Energiegewinnung auch Laktat.
Grundsätzlich gilt: je höher die Intensität desto höher der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiebereitstellung. Je länger und geringer die Intensität desto höher der Anteil an Fetten.
Insbesondere die längeren, weniger intensiven Trainingseinheiten, mit denen man die so genannte Grundlagenausdauer 1 (GA1) trainiert, bergen einen Großteil der o.g. positiven Auswirkungen des Ausdauertrainings. Kein Wunder, dass Viele der Meinung sind sie müssten unbedingt lange Laufen oder radeln, um fit und gesund zu werden.
Bullshit.
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Lebenslüge Cardio
Okay, die Lüge besteht also nicht darin dass Cardio gut für dich ist. Obwohl wir gerade in der Functional Fitness Szene nicht oft genug betonen können wie verdammt wichtig insbesondere die Grundlagenausdauer ist (die hier gern vernachlässigt wird)!
Im „Sport of Fitness“ aka CrossFit® aber genauso im klassischen HI(I)T Training wird vor allem die anaerobe Ausdauer trainiert. Hier geht auch keiner davon aus, dass man ausschließlich monostrukturelle Bewegungen machen müsste.
Die Lüge liegt also auch nicht in diesem Bereich.
Nein, die Lebenslüge liegt im Bereich der Grundlagenausdauer und darin, dass dir immer wieder erzählt wird, dass du monostrukturelle Bewegungen wie Laufen, Rudern, Radfahren und Co. ausüben musst, um eben diese Ausdauervariante zu trainieren und ihre Benefits zu genießen.
So ein Quatsch!
Ja, um deine Ausdauer bestmöglich trainieren zu können, sollte dein zentrales Nervensystem (ZNS) nicht allzu sehr belastet werden. Daher ergibt es Sinn weniger komplexe Übungen zu nutzen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie monostrukturell, potentiell eintönig oder repetitiv sein müssen.
Wenn dir Laufen und Co. also „zu langweilig“ ist und du lieber rostige Eisen bewegst, dann kannst du jetzt aufatmen.
Aus meiner Sicht ist die größte Lüge – oder das größte Missverständnis – des Cardiotrainings, dass es dabei immer ums Laufen, Radfahren, Schwimmen oder eine Abwandlung davon gehen muss.
Während solch monostrukturelle Bewegungen, die meist in nur einer Bewegungsebene ablaufen, zwar besonders gut geeignet sind, um deine Ausdauer zu trainieren, schließt das polystrukturelle Bewegungen, die in mehreren Ebenen ablaufen, keineswegs aus.
Es spricht also Nichts dagegen deine Grundlagenausdauer auch mit einem abwechslungsreichen Training im Functional Fitness Stil zu trainieren.
Im Gegenteil: Was denkst du welche Form des Ausdauertrainings für Einsatzkräfte der Polizei, Feuerwehr, THW, Rettungskräfte und Co. sinnvoller ist? Sollen die Jungs und Mädels da toll Radfahren und Laufen können? Oder wäre es dir lieber, wenn sie auch lange schwere Dinge tragen, Menschen aus Wracks ziehen und schwere Schläuche in brennende Häuser schleppen könnten? Ja, auch hierfür gilt es funktionell zu trainieren. Surprise, surprise.
Die gute Nachricht: das lässt sich recht unkompliziert verbinden.
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Die Bausteine für ein aerobes Functional Fitness Training
Die Bausteine für aerobes Ausdauertraining sind einfach zu definieren. Die Übungen sollten einfach auszuführen sein, um dein zentrales Nervensystem nicht zu sehr zu belasten.
Snatches und Cleans sind zwar wunderbare Übungen, aber wenn du sie häufig hintereinander ausführst brennt vor allem dein ZNS durch. Du wirst unkonzentriert. Deine Wiederholungen werden unsauber. Und dein Verletzungspotential steigt.
Nutzt du stattdessen Kreuzheben, Sprünge, Läufe, einfache Medizinballübungen und Ähnliches dann bleibt das Komplexitätsniveau geringer. Genau wie dein Verletzungsrisiko.
Auch aus diesem Grund sind meist die monostrukturellen Bewegungen in der bisherigen Trainingsplanung für das Ausdauertraining bevorzugt worden.
Laufen, Rudern, Rad fahren sind Bewegungen die nahezu jeder oft hintereinander ausführen kann. Auch ohne große Beaufsichtigung. Und das birgt vor allem eine ziemlich große Gewinnmarge für Fitnessunternehmer bzw. Studiobetreiber. Kein Wunder, dass diese Bewegungsformen mehr promotet werden als die komplexeren Bewegungen des Functional Trainings, die Studiobetreiber auch beaufsichtigen müssten.
Vorsicht, auch hier liegt eine Ebene der Cardiolüge versteckt, denn auch wenn grundsätzlich jeder Joggen gehen kann solltest du auch hierbei, ebenso wie beim Rad fahren, Rudern und Co. gerade am Anfang nicht auf professionelle Hilfe verzichten. Auch bei “alltäglicheren” Bewegungen muss die Qualität stimmen, sonst geht auch hier Einiges kaputt.
Doch auch andere, funktionellere und mehrgelenkige Übungen können dir dabei helfen ein effizientes Ausdauertraining auf die Beine zu stellen. Probiere zum Beispiel
MedBall Overhead Throw
MedBall Sit Up
Kettlebell Swing
Farmers Walk
Sled Push
Deadlift
etc.
Solange die Übungen für dich oder deine Athleten einfach durchzuführen und durchhaltefähig sind kannst du ein Ausdauertraining damit gestalten.
Das bedeutet ihr solltet das Prinzip M-C-I (Mechanics-Consistency-Intensity) immer beachten. Zuerst muss die Technik der Übung korrekt ausführbar sein. Dann muss diese Qualität über mehrere Wiederholungen duschhaltbar sein und schlussendlich könnt ihr die Intensität erhöhen.
Solange du die Übungen deiner Wahl mit dem gewählten Gewicht langfristig und auf einer gleichmäßigen Pace durchhalten kannst bist du auf einem guten Weg zu “alternativem” Cardiotraining.
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Beispiele für Cardio Training im Functional Fitness
Schauen wir uns das mal anhand zweier Beispiele an:
Trainingsbeispiel Wiederholungsmethode (Mittelzeitausdauer) im CrossFit®:
4x 3 Min. @100%
20 cal AirDyne
6 Hang Squat Clean @40/60kg
Pause zwischen den Sätzen 9 Min.
Diese Variante siehst du im Functional Fitness Programming leider zu selten. Oftmals wird in CrossFit Boxen eher nur 1 Runde vorgeschrieben. Schließlich ist die Vorgehensweise mit den vollständigen Pausen auch schwierig für eine Group Fitness Class umzusetzen.
In Online Programmings, insbesondere in solchen die individuell auf dich zugeschnitten werden, wie in unserem OPT, findest du solche Trainingsformen dagegen regelmäßig.
Trainingsbeispiel Dauermethode (Langzeitausdauer) im CrossFit®:
45 Min „Grinder“ @RPE 5-6
200m Laufen
5 Klimmzüge
10 Push Ups
20 Air Squat
Solche Trainingsvarianten, mit denen du deine Grundlagenausdauer im functional Fitness Style trainieren kannst findest du leider so gut wie gar nicht im klassischen CrossFit®. Zu schade, denn wie wir bereits gelernt haben ist die Ausdauer ein ganz zentrales Element deiner Leistungsfähigkeit UND deiner Gesundheit.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt vor allem darin eine Trainingsvariante zu finden mit der du nicht nur die Ausdauer gut trainieren kannst, sondern an der du vor allem Spaß hast. Denn nur so wirst du sie langfristig und regelmäßig durchziehen.
Wenn du noch ein wenig tiefer in die Materie der Lebenslüge Cardio sowie der Trainingsformen der Ausdauer einsteigen willst, dann höre in die Episode „Lebenslüge Cardio“ auf meinem Podcast „The Art of Fitness“ rein. Du findest ihn auf Spotify, iTunes und YouTube.
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So what!? Was du aus der Lebenslüge Cardio nun machen kannst
Die Ausdauerleistungsfähigkeit ist einer der wichtigsten Bausteine einer guten körperlichen Fitness. Doch oft wird sie ausschließlich mit dem Laufen, Radfahren oder anderen extensiven (oft eintönigen) Bewegungsformen verbunden.
Hierin liegt die „Lebenslüge Cardiotraining“, denn Nichts liegt ferner als das.
Solange wir relativ einfach auszuführende und durchhaltfähige Übungen verwenden (Vorsicht, diese Auswahl ist höchst individuell!) können wir auch mit gängigen funktionellen Trainingsübungen ein wunderbares Ausdauertraining schaffen.
Das Cardiotraining definiert sich nicht über die Übungsauswahl sondern vielmehr über die durchgeführte Intensität und Trainingsdauer.
Bei geringer bis mittlerer Intensität, die es dem Körper ermöglicht vor allem aerob seine Energie aus dem Fettspeicher zu generieren, sowie gleichmäßig eingesetzter und vor allem gleichbleibender Bewegungsintensität über einen längeren Zeitraum sind wir mitten drin im Ausdauertraining. Sieh dir die oben stehenden Beispiele an, um einen genaueren Überblick dafür zu erhalten.
Es steht dabei überhaupt nicht zur Debatte OB du deine Ausdauer trainieren solltest (alleine die oben genannten gesundheitlichen Benefits sind schon überzeugend genug), sondern vielmehr WIE du das gestalten willst, damit du Spaß daran hast und deine Variante des Ausdauertrainings auch regelmäßig und am besten lebenslang weiterführst.
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Quellen:
Hamer & Donovan, 2010; Cardiorespiratory fitness and metabolic risk factors in obesity
Banfi, G., Colombini, A., Lombardi, G., Lubkowska, A., (2012), Metabolic Markers ins Sports Medicine, Advances in Clinical Chemistry, 56, 1-54
Joe, J.G., Dosa, A., Ranky, M., Pavlik, G. (2014), Cardiovascular Results of an individually controlled complex prevention, Acta Physiologica Hungarica, 101 (1), 1-12.
Sportwissenschaftliches Lexikon – Kurzzeitausdauer
Sportwissenschaftliches Lexikon – Mittelzeitausdauer
Sportwissenschaftliches Lexikon – Langzeitausdauer
Sportwissenschaftliches Lexikon – Aerobe Ausdauer
Sportwissenschaftliches Lexikon – Anaerobe Ausdauer
Foodspring Artikel “Cardio Training“
AOK “Cardio Training für Zuhause“
Wikipedia Definition Ausdauertraining
Praxis Vita Artikel “Cardiotraining”
von Art Claas van der Heide | Feb. 23, 2022 | Mindset Training
Verstärke deinen Mindset Performance Arch
Du hast den Druckpunkt deines Workouts herausgefunden, indem du die Punkte aus dem Artikel über den Mindset Performance Arch umgesetzt hast. Jetzt kannst du sinnvoll (mentale) Kraft einsetzen um genau diese Stelle deines Systems zu verstärken.
Dafür nutzen wir die kontrollierbaren Aspekte deines Mindset.
Kleiner Spoiler: du wirst auch ohne grundlegendes Mindset Training Erfolge mit dem Mindset Performance Arch sehen. Diese werden allerdings nicht so stark sein, wie wenn du bereits fortgeschritten darin bist deinen mentalen Zustand zu deinen Gunsten zu verändern.
Auch im Mindset Training gilt eben: Basics first – und dazu zählt wie oben angesprochen dein Bewusstsein zu trainieren.
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Wir sprechen von 4 mentalen Bereichen, die wir für ein Workout kontrollieren können:
- Makro- vs. Mikro-Ziele
- Durchsetzen vs. Aushalten
- Arschtritt vs. Vergebung
- Fokussieren vs. Abdriften
Makro- vs. Mikroziele
Diese Technik ist am einfachsten umzusetzen und birgt auch für den Mindset-Neuling enorme Performance-Gains. Vermutlich nutzt du es sogar bereits unbewusst.
Wenn Matt Fraser, der “Fittest Man on Earth”, einen Marathon laufen soll und ab dem Start versucht sich gedanklich zu pushen indem er denkt: “Nur noch 42 km, nur noch 41,99 km, noch 41,98 km,…” wird diese Aufgabe selbst ihn überwältigen. Schließlich kommt er kaum voran und hat noch einen riesigen Berg Arbeit vor sich.
Wenn er die Aufgabe stattdessen in 10 Einzelteile zerlegt und statt den 42 km Gesamtstrecke zum Ziel hat 10x 4km und einen Schlusssprint hinzulegen wird das gesamte Unterfangen wesentlich einfacher.
Selbst die U.S. Navy Seals nutzen in ihrem berüchtigten Auswahlverfahren BUD/S die Strategie sich in der so genannten Höllenwoche nur bis zur nächsten Mahlzeit zu schleppen statt das Ende der gesamten Woche herbei zu sehnen. Diese Herangehensweise hat auch mir in ähnlichen Situationen, wie beim Commando Moniteur extrem geholfen.
Wenn Matt sich also auf einen Abschnitt nach dem anderen konzentriert wird er am Ende mit einer angemessenen Intensität die gesamte Aufgabe gemeistert haben.
Wenn er jedoch statt auf der Marathonstrecke auf der Gewichthebeplattform will ich als Coach nicht sehen, dass er jeden Schritt seiner Paradedisziplin einzeln fokussiert. Er soll nicht die einzelnen Schritte durchgehen wie “Stange greifen, Hook Grip, First Pull, Second Pull, Third Pull, jetzt EXPLODIEREN und umsetzen, stabil fangen, aufstehen und Kontrolle zeigen.”
Die Anforderungen der Übung und seine Expertise ermöglichen, dass er die gesamte Bewegung visualisiert und flüssig ausführt. Vielleicht hat er dabei 1 (!) mentalen Hinweis im Kopf. Sowas wie „Explode“. Mehr nicht. Sehr viel wahrscheinlicher auf solch hohem Niveau und bei solch schnellen Bewegungen ist sogar dass sein mentaler Self-Talk sich reduziert hat auf so etwas wie „Hmpf, Tschuuu, Haaaa“, wobei jeder Abschnitt für einen wichtigen Aspekt steht auf den er achten will. Beispielsweise auf Verspannung generieren (Hmpf), explodieren (Tschuuu), tief fangen und stabilisieren (Haaaa).
Wir können die bevorstehende Aufgabe also als eine Gesamtaufgabe sehen (Makro-Ziel) oder als viele kleine (Mikro-Ziel).
Als Faustregel gilt: lange Aufgaben mit oft geringerer Intensität im einzelnen Moment, wie einen Marathon, sollten wir lieber in Mikro-Ziele herunter brechen, kurze Herausforderungen mit hoher Intensität, wie ein 1 RM, besser als Makro-Ziel visualisieren.
Das Makro Ziel liegt ganz links auf unserem Arch Kontinuum, die Mikro Ziele äußerst rechts.
Durchsetzen vs. Aushalten
Im Gewichtheben möchte ich von Matt Fraser sehen, dass er aggressiv an den Lift ran geht, um bestmöglich zu performen.
CrossFit® Spitzenathlet Brent Fikowski, “The Professor”, der seinen Namen daher hat dass er jedes WoD bis ins Kleinste analysiert und seine körperliche und mentale Performance plant und im Übrigen auch nach dem Mindset System Mindset Rx’d trainiert, wie ich es coache, nutzt bei schweren Lifts als mentalen Cue den Satz “I am the man” oder “I’m too strong”.
Sehr bekannt ist in dieser Hinsicht auch Fitness Legende C.T. Fletcher mit seinem Mantra “Light weight, baby!”
Siehst du wie positiv und bestimmend beide mit sich selbst sprechen? Sie lassen keinen Raum für Zweifel und vergewissern sich selbst dass sie die Aufgabe meistern werden. Dabei lassen sie den unkontrollierbaren Rahmenbedingungen keinen Platz.
Weltklasse-Athleten in Ausdauerdisziplinen gehen ganz anders ran. Sie wollen sich eher mental relaxen und die Situation aushalten, statt sich durchzusetzen. Nicht falsch verstehen: bei langen Ausdauereinheiten wie einem Triathlon etc. ist die Intensität auch hoch. Sehr hoch. Dennoch kannst du dir sicher vorstellen wie mental ermüdend es wäre für Matt wenn er sich bei dem Ziel einen Marathon in (hoffentlich) unter 2 Stunden zu laufen permanent mental pushen würde mit Gedanken wie “Ich bin der Beste. Ich rocke das Ding. Für Ruhm und Ehre, auf geht’s!”
Genau, extrem ermüdend wäre das. Die Wissenschaft beweist, dass eine mentale Ermüdung den Leidensdruck erhöht.
Auf dem Mindset Arch Kontinuum findest du auf der rechten Seite passiv-emotionale Kontrolle (das “Aushalten” das wir bei längeren, weniger intensiven Einheiten sehen wollen) und auf der linken Seite das “Durchsetzen” (das mentale Pushen das wir bei kurzen, intensiven Aufgaben an den Tag legen sollten).
Arschtritt vs. Vergebung
Wenn du dich ganz links auf dem Arch befindest, kannst und willst du dir keine Fehler erlauben. Du musst hart zu dir selbst sein. Hart, nicht unfair. Du willst dich durch das Unangenehme pushen als gäbe es kein Morgen mehr.
Wenn du dir die rechte Seite des Arch bildlich mit einem 20 Kilometer Ruder-Workout vorstellst dann wird schnell klar: von einem suboptimalen Ruderzug wird deine Performance nicht komplett aus dem Rudern laufen (pun intended).
Es ist sinnvoller dir diesen Fehler schnell zu vergeben, dich nicht an der Vergangenheit aufzuhalten und dich darauf zu konzentrieren was du kontrollieren kannst: deinen nächsten Rep.
Bist du stattdessen auf dem Weg zu deiner Fran Zeit von unter 2 Minuten, haben Nettigkeiten keinen Platz, wenn du deine Performance verbessern willst. Manchmal braucht’s eben den guten alten Arschtritt. Das äußert sich meist in aggressivem Self-Talk wie „Komm schon. Noch 5 Reps, 4,3,2…“, „Beweg dich JETZT!!!“, „Nur noch 1 Minute, let’s gooooo!“
Wichtig: Arschtritte sind für die hochintensiven Workouts von 2 Minuten und weniger! Nach getaner Arbeit ist ein harscher Umgangston mit dir selbst und unfaire Kritik an dir selbst mit das schlimmste Mindset das du an den Tag legen kannst. “Love is for after the game” sozusagen, denn jetzt ist Wohlwollen und eine positive Grundeinstellung das Wichtigste! (Um das zu kultivieren, nutzt du das “einfachste Mindset Training Tool der Welt”).
Fokussieren vs. Abdriften
Wenn du dir schonmal Interviews zu den Workout Strategien der Top CrossFit® Athleten in längeren Workouts (oder auch von Weltklasse Ausdauerathleten) zu Gemüte geführt hast dann wirst du erkannt haben, dass die Meisten während ihrer Wettkämpfe anfangen zu rechnen. Dabei kommt ungefähr sowas rum: “Ich habe noch 2 km vor mir, die letzten 2 habe ich in einer Pace von 4:20 Min geschafft. Um meine Zielzeit zu erreichen muss ich also noch 10 Sekunden pro Kilometer schneller werden.”
Das ist eine sinnvolle Taktik, denn in solchen Events hast du viel Zeit zum Nachdenken. Du kannst deinen Kopf mit etwas füllen, das deine Performance verstärkt, oder du kannst die Zeit mit negativen Gedanken verbringen, die dich sabotieren. Klassiker sind: “Wieso tue ich mir das an?” , “Was mache ihr hier?”, „F***, das ist so hart, wann ist das endlich vorbei?”.Na, wiedererkannt?
Wenn du lange, langsame Anstrengungen durchläufst, ist dein übergeordnetes mentales Ziel, dich von Unannehmlichkeiten zu dissoziieren. Das bedeutet, du willst dich von dem Gefühl des Leidens trennen.
Hier entfaltet die Meditation, insbesondere das Mindfulness Training, ihr größtes Potential für Athleten.
(Mehr über Meditation als Tool zur Leistungssteigerung hörst du im Podcast mit Dr. Patrick Broome)
Je weiter links du dich auf dem Arch wiederfindest, desto präsenter möchtest du sein. Für einen 1 RM bracuhst du hundertprozentigen Fokus. Du willst spüren wie fest du die Stange hältst, du willst jede Muskelfaser anspannen, die du gleich nutzt und das Ding hoch wuppen.
Und noch weiter links, beispielsweise bei einem 30 Sekunden All Out Sprint auf dem AirBike, ist es sogar dein Ziel so viel wie möglich zu leiden.
Kurzum je weiter links, desto mehr willst du bewusst leiden, je weiter rechts desto mehr willst du dich davon ablenken.
Lerne die Sprache der Intensität – Prokabular
Wenn du eine neue Sprache lernst beginnst du meist mit den Vokabeln und Redewendungen, um erste Unterhaltungen zu starten. Dann lernst du komischerweise direkt die Schimpfwörter.
Aber sie alle haben eins gemeinsam : sie bilden den Grundstock mit dem du ein Gespräch führen kannst. Du baust das weiter aus und je nachdem wann und wie du welches Wort einsetzt, kannst du das Gespräch lenken.
Mit deinem Mindset ist das nicht anders. Dein Mindset ist die Sprache, um dich mit der Intensität zu unterhalten. Und wie bei allen Sprachen gilt auch hier: je größer dein Wortschatz desto besser die Unterhaltung.
Du wirst schnell merken, dass manche Gedanken in spezifischen Anteilen deiner Performance die Intensität und Leidensfähigkeit erhöhen, während sie diese in anderen Anteilen sabotieren.
Das passt perfekt zu unserem Arch.
Wie du deinen Mindset Arch aufbaust
Ich habe meinen Arch in 8 Segmente unterteilt. Jedes Segment beinhaltet ein eigenes Set an Vokabeln und Gedanken, die in diesem Anteil funktionieren. Manches kommt doppelt vor. Wie viele Segmente du in deinem Arch hast ist übrigens dir überlassen. One size fits one. Es muss für dich funktionieren.
Das sind meine Segmente:
- Highest Power: hier ist alles was sehr wenig bis keine Technik braucht (die mich limitieren könnte) aber extrem explosiv ausgeführt wird. Beispielsweise einen MedBall maximal hoch zu werfen. Zugegeben, hier ist wenig zu finden, da Technik irgendwie fast immer eine limitierende Rolle spielt.
- 1 RM’s: wie der Name schon sagt, hier liegen 1 RM Tests aber auch die 2 RM und 3 RM’s findest du hier
- Heavy Work: Alle schweren Übungen in der. Rep Range von 1-6 Reps
- Laktat-Schwelle: kurze, hochintensive Workouts wie Fran, kurze Ruderintervalle, AirBike Sprints, Grace etc. #shittyshitshit
- Kurze WODs und Accessory: Kurze Workouts zwischen 3-9 Minuten und alle “Curls for the girls”
- Längere WODs: Workouts im Bereich 10-20 Minuten
- Murph & Co.: längere Workouts, die immer noch im Mixed Modal Bereich liegen: wechselnde mehrgelenkige Bewegungen, höhere Skillanforderungen aber geringere Gewichtsbelastung (was sie von der letzten Kategorie trennt)
- LSD: Long, Slow Duration Workouts (nicht die psychoaktive Droge) – monostrukturelle Belastung von über 30 Minuten.
Je bewusster ich mir darüber geworden bin welche Gedanken bei mir in welcher Kategorie aufkommen, desto besser wurde auch meine Performance in den einzelnen Anteilen.
Prokabular: dein “Performance Vokabelbuch”
Wenn du weißt welche Gedanken wo aufkommen und ob diese dich behindern oder deine Performance steigern, dann kannst du die “Verhinderer” aussortieren und dir mehr so Typen wie die “Verstärker” aneignen. Dazu probierst du in deinem Training immer wieder aus welche Sätze, Gedanken oder Strategien für dich in welchem Segment funktionieren. Wenn du dir das aufschreibst erarbeitest du dir sozusagen dein eigenes “Performance Vokabelbuch”, dein Prokabular.
Meine Erkenntnis
Je bewusster ich meine Gedanken in den einzelnen Segmenten wahrgenommen habe und Rückschlüsse auf ihren Einfluss auf meine Performance ziehen konnte, desto größer wurde mein Vokabular. Ich habe mir damit ein eigenes Performance Vokabular, oder “Prokabular” aufgebaut, mit dem ich professionell an meinem Mindset und meiner Performance-Steigerung arbeiten kann. Denn damit kann ich planen wann welche sabotierenden Gedanken aufkommen und wie ich darauf reagieren werde.
Ich lege dir ans Herz dasselbe zu tun. Lerne den Mindset Performance Arch zu nutzen, um deine Workouts im Vorfeld zu analysieren und dich mental auf die Anstrengungen und das “Suffer Fest” vorzubereiten. Natürlich kostet es anfangs mehr Zeit den Druckpunkt deines Workouts herauszufinden und dein Prokabular zu erarbeiten. Ich empfehle dir das anfangs auch bildlich zu machen und dir den Arch wirklich aufzumalen. Je besser du wirst desto automatischer analysierst du deine Herausforderungen und kannst die Benefits ohne langen Aufwand nutzen. Beginne damit das Konzept im Training zu nutzen, um im Wettkampf zu brillieren.
No Brain. No Gain.
Dein Art
P.S.: Wenn du Unterstützung dabei haben möchtest dein Fitness Training direkt mit deinem Mindset Training zu verbinden ist mein OPT interessant für dich.
von Art Claas van der Heide | Feb. 22, 2022 | Mindset Training
Deine sportliche Performance wird maßgeblich in deinem Kopf entschieden. Das hat unter anderm der Forscher Samuele Marcora herausgefunden, der mit seinem biopsychological model of endurance performance, das ich dir hier erkläre, seitdem Furore macht.
„Der Wille entscheidet“ ist also mehr als nur der Leitspruch der deutschen Elite-Soldaten. Es ist eine tatsächliche Grundlage für mentale und körperliche Leistung.
Um deine mentale Leistungsfähigkeit zu verbessern hörst du immer wieder verschiedene Empfehlungen: “Bleib ruhig; sei aggressiver; push härter; einfach atmen; fokussiere dich; lenke dich ab; denke an dein Warum; stell dir dein Ziel vor;…”
Alle diese Elemente beinhalten etwas Wahrheit. Doof ist nur, dass sie sich teilweise heftig widersprechen. Oder kannst du „aggressiv einfach atmen“?
Wie so oft im Sport (und im Leben) ist die Antwort, wie du mental an eine Aufgabe ran gehen sollst, um optimal zu performen etwas umfangreicher und kein “Quick Fix”.
Mindset = One Size Fits One
Mit diesem Artikel will ich dir ein Tool näher bringen, mit dem ich meinen Athleten das sportspezifische Mindset Training im funktionellen Fitness Training, für CrossFit ® Competitions und für Auswahlverfahren der Spezialkräfte in Militär und Polizei näher bringe. Wenn du das umsetzt und kultivierst wirst du lernen wie du dein eigenes Performance-Vokabular aufbaust, dein Mindset auf die bevorstehende Aufgabe vorbereitest und auf der gesamten Bandbreite unterschiedlicher Herausforderungen performst.
Die Basis
Kurz und schmerzlos: die Basis ist dein Bewusstsein, genauer die bewusste Wahrnehmung deines mental-emotionalen Zustandes.
Das musst du lernen und regelmäßig üben. Nein, das ist nicht leicht. Aber es gibt viele Herangehensweisen um das zu tun:
- Meditation,
- Journaling (wie ich es im Mindset Training nutze)
- Geh-Meditationen
- und Atemübungen
sind nur ein paar Beispiele dafür.
Das bewusste Wahrnehmen deines mental-emotionalen Zustandes ist so wichtig weil du nur dann etwas daran ändern kannst wenn du überhaupt mitkriegst wo du dich aktuell befindest. So kannst du Stück für Stück herausfinden welcher Ansatz und welches Vokabular für dich funktioniert.
Welche Worte und Sätze pushen deine Performance? Was behindert sie? Und in welchen Situationen kommt das auf?
Welches Mindset passt wozu?
Wenn du einen Triathlon laufen möchtest und zur Vorbereitung 3 Löffel Pre-Workout Booster reinhaust, die du mit einem dreifachen Espresso runterspülst, bist du vielleicht “ready to go” aber für wie lange? Paare das mit dem mentalen Selbstgespräch “Auf geht’s let’s CRUSH IT!!!” ab Sekunde eins des Wettkampfes und du wirst ganz sicher die ersten paar Meter brutale Leistung bringen, und dann extrem stark nachlassen.
Und wenn du dich direkt von einer einstündigen Massage auf die Plattform begibst, um deinen 1 RM Snatch zu testen: Bist du dann in der richtigen Verfassung für diese Herausforderung?
Das Mindset-Problem
Die beiden Beispiele sind etwas überzogen aber spiegeln doch genau das wieder was die meisten von uns tagtäglich tun. Wir kommen nach einem Arbeitstag in die Box oder das Fitnessstudio und hoffen einfach darauf, dass das WoD irgendwie zu unserem aktuellen Gemütszustand passt oder dieser sich dadurch einfach anpassen wird.
Wenn aber der Wille entscheidet wie gut wir performen, warum passen wir seine Ausgangsposition nicht an die bevorstehende Aufgabe an?
Die Lösung
Da sich CrossFit® in verschiedenen zeitlichen Domänen, mit unterschiedlichsten Bewegungen und nahezu unendlich vielen Kombinationsmöglichkeiten bewegt ist es neben dem Körperlichen auch eine große Herausforderung für deine mentale Strategie.
Umso mehr solltest du ein Tool nutzen, mit dem du Struktur in dein Mindset bringst und anfangen kannst den Hustle Muscle zwischen deinen Ohren auf die heutige Aufgabe und eine bestmögliche Performance vorzubereiten.
Es ist Zeit auch deine mentale Leistungsfähigkeit zu kontrollieren, zu trainieren und gezielt einzusetzen. Dafür kannst du den Mindset Performance Arch nutzen.
Der Mindset Performance Arch
Was ich meinen Athleten beibringe ist das Konzept des Performance Arch. Die Grundidee ist übernommen von Julien Pineau (StrongFit).
Ein Bogen (Arch) ist die stabilste Form in der Natur WENN der Druck gleichmäßig auf beide Seiten verteilt wird. Erhält eine Seite mehr Druck kann das System schnell kollabieren. Um das zu vermeiden kannst du den Bogen von innen stützen. Diese Stützen sind dein Mindset.
Du kannst deine Workouts auf diesem Performance Arch ansiedeln. Dabei liegen Anforderungen mit sehr hohem Power Output, wie ein MedBall Weitwurf, äußerst links während ganz rechts eher technisch anspruchsvolle Übungen mit geringe(re)m Power Output, wie ein Snatch, wenn du diesen gerade neu erlernst, sowie lange Workouts mit sehr geringem Power Output, wie ein langer Dauerlauf, liegen. Du hast also eine Bandbreite von maximaler Power wie bei einem Power Clean (äußerst links) bis hin zu Long, Slow Distance (LSD) Workouts wie einem langen GA-1 (Grundlagenausdauer) Lauf (äußerst rechts).
Je genauer du weißt, wo auf dem Arch dein Workout anzusiedeln ist, desto besser kannst du mit deiner Mindset-Stütze die Stabilität deines Bogens verbessern. Deine Performance steigt.
Wie du genau herausfindest wo dein Workout Druck auf den Arch ausübt und wie du dein Mindset durch funktionierenden Self-Talk auffüllst erfährst du im weiteren Verlauf des Artikels.
Wo liegt der Druckpunkt deines Workouts?
Stell dir vor, dass dein Mindset innerhalb deines Archs liegt, während dein Workout/deine Herausforderung von Außen Druck auf das System ausübt. Dem Druck willst du mit dem richtigen Gegendruck begegnen, um dein System zu stabilisieren.
Unterschiedliche Workouts bedürfen unterschiedlichen Herangehensweisen, da sie verschiedene Druckpunkte aufweisen.
Um dein Mindset optimal für deine Performance zu nutzen musst du zunächst festlegen wo deine aktuelle Herausforderung auf dem Arch liegt. Es ist egal ob es sich dabei um ein WoD im Training, eine Competition, ein Auswahlverfahren, eine Durchschlageübung oder einen scharfen Einsatz handelt. Du willst herausfinden, wo die Herausforderung Druck auf dein System ausübt.
Je systematischer du hier ran gehst, desto besser. Daher betrachten wir zunächst die 7 Performance Punkte nach denen wir eine Übung aber auch ein Workout auf dem Arch kategorisieren:
Die 7 Performance Punkte
Skill:
Wie hoch sind die technischen Anforderungen deiner Herausforderung?
Im Regelfall ist es so, dass Übungen die für dich hohe Anforderungen an die Technik (den Skill) haben nur mit geringer Power ausgeführt werden können. Übungen in denen du technisch sehr gut bist oder die keine hohen Anforderungen an die technische Ausführung haben, kannst du hingegen mit höherer Power ausführen .
Gewichtsbelastung:
Wie viel Gewicht muss dein Körper zusätzlich zu deinem Körpergewicht stützen / bewegen?
Power Output:
Wie viel Kraft musst du pro Meter und Sekunde aufbringen? Keine Sorge, du musst hier nichts berechnen oder exakt bestimmen. Mit der Zeit erhältst du ein gutes Gefühl hierfür. Im Regelfall ist es so: wenn du den Skill beherrscht oder wenig Anforderung an die technische Ausführung besteht kannst du einen hohen Power Output generieren. Zum Beispiel bei AirDyne Sprints oder einem MedBall Weitwurf, auch bei einem Snatch – aber nur wenn du sehr fortgeschritten in der Technik bist.
Ist die Technik ein stark limitierender Faktor für dich in der Übung dann wirst du einen geringeren Power Output haben. Auch bei langen Anforderungen wie einem Marathon hast du einen geringen Power Output (einen hohen kannst du nämlich nicht lange durchhalten).
Bekanntheitsgrad:
Wie gut kennst du deine aktuelle Umgebung, die Übungen/Aufgaben die du ausführen sollst, das zu nutzende Equipment, das Level deiner Mitstreiter/Gegner, die Kultur in der du trainierst und wie wohl fühlst du dich in der zeitlichen Domäne (= Länge des Workouts) die hier getestet wird?
Exzentrische Belastung:
Wie hoch sind die Ansprüche der Aufgabe auf die Exzentrik?
Der exzentrische Anteil der Bewegung liegt dort, wo die Zielmuskulatur in die Länge gezogen wird- Beispielsweise bei der Abwärtsbewegung im Squat, beim Absetzen der Stange im Deadlift oder beim Herunterlassen im Pull-Up. Die entgegengesetzte Richtung, wenn die Muskeln sich zusammenziehen, ist die konzentrische Phase.
Bei Übungen die keine exzentrische Phase beinhalten, wie bei einem Medizinball-Weitwurf, ist regelmäßig der Power Output höher, da die Gesamtkomplexität oft geringer ist.
Bedeutung:
Wie bedeutend ist es für dich diese Aufgabe zu schaffen? Ist es der Wettkampf auf den du dein Leben lang hingearbeitet hast? Warten auf der anderen Seite des Workouts Ruhm, Erfüllung und ein Podiumsplatz auf dich, oder ist es ein weiteres Workout in der Box, dass du zum Spaß abreißt?
Fähigkeits-Level:
Wie gut sind deine Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf die aktuelle Aufgabe? Bist du schon auf Weltklasse-Niveau oder absoluter Beginner? Wurde dein Fähigkeits-Level durch Erschöpfung, Schlafentzug oder andere Dinge beeinflusst?
Auf der linken Seite des Mindset Performance Arch findest du typischerweise die Übungen und Workouts mit:
- geringen Skill-Anforderungen
- geringer Gewichtsbelastung (es liegt kein externes Gewicht auf dir)
- hohem Power Output
- hohem Bekanntheitsgrad
- geringer exzentrischer Belastung
- hoher Bedeutung
- hohem Fähigkeits-Level
Auf der rechten Seite findest du die gegenteiligen Workouts und Aufgaben mit:
- hohen Skill-Anforderungen
- hoher Gewichtsbelastung
- geringem Power Output
- geringem Bekanntheitsgrad
- hoher exzentrischer Belastung
- geringe(re) Bedeutung
- geringem Fähigkeits-Level
Wichtig: diese Punkte sind relativ für dich! Nicht für die Menschheit allgemein. One Size fits one!
Nachdem wir das Konzept des Mindset Performance Arch kennen, können wir beginnen das Workout zu analysieren und auf dem Arch zu platzieren.
Dabei treffen nicht immer alle der oben genannten Punkte gleichzeitig zu. Je nach deinem Fähigkeits- und Kraftlevel kann ein 1 RM Power Clean für dich ganz links auf dem Bogen liegen oder ca. 10-15 Grad nach oben wandern. Oder du hast ein Auswahlverfahren schon einmal durchlaufen und weißt, was als Nächstes auf dich zukommt. Eine ganze andere Mindset-Challenge als dem Unbekannten zu begegnen.
Take Aways:
- du kannst dein Mindset strukturiert trainieren und dich auf die Anforderungen deines Workouts vorbereiten statt darauf zu hoffen dass dein mental-emotionaler Zustand zu deinem WoD passt
- Dazu nutzt du den Mindset Performance Arch
- Analysiere dazu dein WoD anhand der 7 Performance Punkte (Skill, Gewichtsbelastung, Power Output, Bekanntheitsgrad, exzentrische Belastung, Bedeutung & Fähigkeitslevel)
Anhand dieser Analyse stellst du fest wo deine Herausforderung auf deinen Mindset Arch von Außen drückt und kannst von Innen deinen Mindset Performance Arch verstärken.
Wie du das machst erfährst du im nächsten Artikel.
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