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Neues Auswahlverfahren im KSK – Wie trainierbar sind kognitive Fähigkeiten?

 

Das KSK Auswahlverfahren wurde erneuert. Die berühmt-berüchtigte Höllenwoche entfällt. Gemäß dem Kommandeur des KSK, Brigadegeneral Ansgar Meyer ist nun der Fokus mehr auf den „nicht trainierbaren Attributen“ wie der mentalen Fitness und den kognitiven Fähigkeiten (1). 

Den generellen Umschwung des PFV halte ich für hervorragend. Auch die Aussage des Prüfungsleiters: „Der Kommando-Kampf ist eher wie ein Football-Spiel, weniger wie ein Marathonlauf“ (1) unterstreicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse dass wir uns mittlerweile auf einem „anaeroben Gefechtsfeld“ befinden (2). 

Die körperlichen und mentalen Fähigkeiten entsprechend angepasst zu überprüfen ist absolut zweckmäßig. 

Ich stimme jedoch nicht mit überein, dass die mentale Fitness und kognitive Fähigkeiten nicht trainierbar seien. 

Kognitive Fähigkeiten umschreiben vor allem die Fähigkeiten deiner Wahrnehmung. Sie sind voneinander abhängig und umfassen z.B. die Aufmerksamkeit, die Wahrnehmung, das Lernen, die Abstraktion sowie Erinnern und Merken (3).

Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen (die sich hauptsächlich mit dem Aufhalten des Verlustes der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter beschäftigen) sind typische „Gehirnjogging Apps“ eher weniger dafür geeignet diese Fähigkeiten nachhaltig zu trainieren. 

Eine Übersichtsarbeit des Stanford Center on Longevity und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung macht jedoch deutlich, dass die Fähigkeiten durchaus trainierbar sind (4). 

Beispielsweise lassen sich das Gehirn und Verhalten im Erwachsenenalter verändern durch geistig herausfordernde Tätigkeiten wie das Erlernen einer neuen Sprache, das Zurechtfinden in einer neuen Umgebung oder das das Einüben neuer Bewegungsabfolgen. Das heißt Sport mit immer wieder neuen Bewegungsabfolgen hat einen guten Effekt hierauf (4).

Das Ding ist, dass wir in vielen Aufgaben aus dem Gehirnjogging zwar eine Verbesserung in der einzelnen Aufgabe feststellen, aber keine Verbindung zur Verbesserung der tatsächlichen kognitiven Fähigkeit gefunden werden kann. Nur weil du eine spezifische Aufgabe besser machst heißt das also noch nicht, dass bspw. deine Merkfähigkeit allgemein besser wird. 

Die Autoren des Max-Planck-Institutes empfehlen daher die Zeit besser zu nutzen als mit Gehirn-Jogging-Apps und Aktivitäten zu trainieren, die einen positiven Effekt auf das Alltagsleben haben. Hier sehe ich persönlich das Erlernen neuer Bewegungen und Sprachen oder die Beschäftigung mit neuen, komplexeren Inhalten aus neuen Themenbereichen für SoldatInnen als besonders bereichernd. 

Zu dem sportlichen Aspekt schreiben die Autoren des Instituts:
„Körperliche Bewegung kann die allgemeine Gesundheit einschließlich der Hirnfitness in Maßen verbessern. Regelmäßiges Ausdauertraining (aerobes Fitnesstraining) kann den Blutfluss zum Gehirn steigern und dazu beitragen, dass neue Nerven‐ und Gefäßverbindungen entstehen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass körperliches Training Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis verbessert. Wer mit Ausdauertraining beginnt und es regelmäßig fortführt, der kann kleine Gewinne oder abgeschwächte Verluste in der kognitiven Leistungsfähigkeit erwarten”. (4)

Wir können also festhalten dass nach aktuellem Wissensstand die kognitiven Fähigkeiten durchaus trainierbar sind, wenn auch nur bedingt. Ebenso dürfen wir feststellen, dass wir lieber im klassischen Sinne daran gehen diesen Anteil unserer Leistungsfähigkeit zu verbessern, also durch das Erlernen neuer Fähigkeiten und weniger durch das Spielen mit App-basiertem Gehirnjogging. 

Für mich ein Grund mehr, neben den Erfolgen aus der Praxis, Kraft- und Konditionstraining als Vorbereitung und grundlegendes Training für den Dienst an der Waffe zu nutzen, sodass wir sowohl die körperlichen als auch mentalen Vorteile aus dieser Kombination an Kraft- und Ausdauertraining erhalten. 

Und die mentale Stärke – ist die trainerbar?

Brigadegeneral Meyer spricht jedoch auch von der mentalen Fitness. Ein Begriff der häufig synonym verwendet wird mit mentaler Stärke oder Resilienz (5).

Und hier sind wir meiner Erfahrung nach klar im Bereich des Trainierbaren. 

Ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit dem damaligen Kommandeur des KSK, Brigadegeneral Kreitmayr. Das war zu meiner aktiven Zeit in 2019. 

Ich schlug ihm damals vor eine Untersuchung zu starten inwiefern die Bewerber für das KSK durch ein vorgeschaltetes Mindset Training das Potenzialfeststellungsverfahren besser durchlaufen könnten. 

Mein Plädoyer war kurz und knapp: „“Wir sagen immer „DER WILLE ENTSCHEIDET“, aber wir prüfen ihn nur ab statt ihn zu trainieren. Wenn wir diesen Willen vorher bereits trainieren und den Bewerbern die entsprechenden Tools an die Hand geben um mental besser zu performen könnten wir eine höhere Besteherquote vorfinden“. 

Aber lange Rede kurzer Sinn, das Vorhaben wurde direkt abgelehnt. Bräuchten wir nicht. Haben wir noch nie so gemacht.

Nun gut, dann eben nicht. 

Doch ich stelle mir die Frage warum Einsätze und Einsatzkräfte immer nur psychologisch nachbereitet werden statt sie auch psychologisch vorzubereiten? 

Wieso immer erst einschreiten wenn der Schaden bereits angerichtet ist? Wieso erarbeiten wir nicht psychologisch ebenso wie physisch einen möglichst hohen Ausgangswert BEVOR die Belastung beginnt? 

Mittlerweile hat sich viel getan in der Bundeswehr zum Thema mentale Fitness. Das Wort ist in vieler Munde. Ein strukturiertes System um diese zu trainieren finde ich immer noch nicht. 

In meinem OPT (Optimum Performance Training), das sich vor allem an Einsatzkräfte richtet, ist das Mindset Training daher ein extrem wichtiger Bestandteil, um die Leistungsfähigkeit ganzheitlich weiterzuentwickeln. 

Im OPT Coaching erarbeiten wir im Bereich des Mindset Trainings exakt die Punkte, die auch das Zentrum Innere Führung in seinem oben genannten Artikel als Handlungsfelder der mentalen Stärke bezeichnet (5). 

Wir nutzen die Technik des explorativen Schreibens um vor allem die Themen der Resilienz, wie Identität, Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit, Widerstandskraft, Beziehungsorientierung und psychische Fitness anzugehen. Auch den Bereich der Agilität und Vitalität mit Punkten wie der Zielorientierung, Problemlösungsfähigkeit, Eigenverantwortung und Selbständigkeit gehen wir an. 

Die AthletInnen im OPT lernen daher sich selbst zu reflektieren und ihre Verhaltensweisen mit ihren grundlegenden Überzeugungen (ihrem „Mindset“ ) zu verbinden. Auf der Grundlage können nicht-dienliche Verhaltensweisen abgelegt werden und das eigene Verhalten zielgerichtet trainiert werden. 

Sie lernen zudem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen durch anspruchsvolle und abwechslungsreiche Workouts und durch den Übertrag der mentalen Techniken in den (Dienst-)Alltag. 

Da in beiden Bereichen nicht immer alles rund läuft beschäftigen wir uns auch zielgerichtet mit dem Umgang mit Misserfolgen, um im Ernstfall adäquat und gewinnbringend darauf zu reagieren. 

Ebenso ist die Technik des Direction Review ein wichtiger Aspekt, um sich selbst immer wieder neue, herausfordernde Ziele im Rahmen der ganz persönlichen Vision zu setzen und so eine solide Grundlage für das Durchhalten, Orientieren und Wachsen zu schaffen. Mehr zu dem Thema erfährst du in meiner Podcast Folge „Warum SMARTE Ziele nicht funktionieren“.

Kurzum: Wer nicht nur um sein WARUM weiß sondern noch einen Schritt weitergeht herauszufinden welche Version des eigenen Selbst am Ende einer Zielerreichung steht der trainiert tatsächlich seinen Willen, seine Durchhaltekraft und somit die mentale Stärke oder mentale Fitness auch widrigste Bedingungen auszuhalten. 

„DER WILLE ENTSCHEIDET“ ist für mich einer der stärksten Leitsätze aller militärischen Spezialeinheiten. Ein Grund mehr nicht nur die körperliche Kraft sondern auch die Willenskraft zu trainieren. 

Mach’ dir diesen Mantra zu eigen und trainiere deine Willensstärke, um nicht nur in einem Auswahlverfahren, sondern auch in einer langen und spannenden Karriere und einem noch spannenderen Leben zu performen. 

 

 

Quellen:

(1) vgl. Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 04.01.2024
(2) vgl. Alvar et al. 2017, Tactical Strength and Conditioning
(3) Vgl. LMU München, https://www.medien.ifi.lmu.de/lehre/ws0506/mmi1/kognitive-faehigkeiten.xhtml, Zugriff am 05.01.2024
(4) Vgl. https://www.mpib-berlin.mpg.de/142795/statement_langfassung_deutsch_final.pdf,
(5) „Mentale Stärke: Durchhalten, Orientieren, Wachsen auf https://www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/zentrum-innere-fuehrung/mentale-staerke-durchhalten-orientieren-wachsen-5369992, Zugriff am 05.01.2024)

 

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Geschrieben von:
Art Claas van der Heide

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