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Warum wir alle unterschiedlich squatten müssen!

Ich bin nun schon seit mehreren Jahren im CrossFit in Deutschland als Sportler wie auch als Trainer unterwegs und eines lässt sich immer wieder und überall sehr gut in der Szene beobachten. Kelly Starret’s Wort ist Gesetz wenn es um Bewegungsausführung und Gelenkstellung geht. Auch wenn KStarr durchaus zu 99% Recht hat mit allem was er sagt, so kann er uns doch nicht alles sagen was er weiß und sicherlich auch in der Praxis umsetzt. Würde er das tun wären seine Videos noch viel länger und noch mehr von dem schlechten Ton und dem dicken amerikanischen Akzent könnten wir Deutschen ohnehin nicht mehr aufnehmen oder?

Gerade was die Squatposition angeht halten es nun viele für die einzig richtige Form die Füße parallel und ca. schulterbreit zu halten und die Knie stark nach außen zu drücken. Das stimmt ja auch vom Prinzip her – aber eben nur vom Prinzip her. Menschen sind so verschieden wie nur irgendwas auf der Welt. Wir sind nun mal keine Maschinen (auch wenn es einige vielleicht gern wären). Ein Artikel von Dr. Ryan DeBell (The Movement Fix) hat mich dazu inspiriert diesen Artikel zu schreiben, um darauf aufmerksam zu machen, dass allein der individuelle anatomische Aufbau schon klar darauf schließen lässt, dass unterschiedliche Menschen nun einmal unterschiedliche Squat Positionen einnehmen müssen.

Jason Khalipa beim Squat Clean


Der grundlegende anatomische Aufbau
Der Dreh- und Angelpunkt vieler menschlicher Bewegung ist das Hüftgelenk. Und es ist mit Sicherheit ein extrem wichtiges Gelenk für Kniebeugen. Das Hüftgelenk besteht aus zwei knöchernen Partnern: dem Oberschenkelknochen (Femur) und dem Becken (Pelvis). Dabei liegt der kugelförmige Kopf des Oberschenkelknochens (caput femoris) in der Hüftgelenkspfanne (Acetabulum) um eine möglichst hohe Bewegungsamplitude zu ermöglichen. Bänder, Muskeln und Sehnen lassen wir bei der heutigen Betrachtung einmal außen vor.

Individuelle Anatomie
Wenn Athleten bei ihren Kniebeugen nicht ganz so tief kommen, ihre Zehen leicht nach außen drehen oder vielleicht sogar einen weiten Squatstand dem engen bevorzugen sind viele schnell dabei zu sagen: „Ohje, deine Muskeln sind total verkürzt/du musst unbedingt an deiner Mobilität und deinen Faszien arbeiten“ Das trifft in der Regel auch zu. Wir dürfen eine solche Aussage aber nicht einfach so tätigen ohne uns die individuelle Anatomie des Hüftgelenkes einmal anzuschauen – sonst könnten wir in die Irre geführt werden.

Schauen wir uns dazu drei Bilder an. Auf dem ersten Bild sehen wir zwei unterschiedliche Oberschenkelknochen von 2 unterschiedlichen Menschen. Der Kopf des linken Knochens zeigt etwas mehr zur Seite, ja fast schon nach unten während er auf der rechten Seite sogar eher nach oben zeigt. Wer denkt, dass diese beiden Menschen auf die exakt gleiche Weise squatten sollten/können der möge nun seine Hand heben. So viel Unterschied im Knochenaufbau ist doch durchaus ein Grund eine individuelle Squattechnik in Erwägung zu ziehen oder nicht?

Oberschenkelknochen in unterschiedlicher Ausprägung

Oberschenkelknochen in unterschiedlicher Ausprägung

 

Noch nicht überzeugt? Schauen wir auf Bild Nummer 2. Auf der linken Seite sehen wir, dass der Kopf etwas weiter vom eigentlichen Oberschenkelknochen absteht als auf der linken Seite. Das verändert durchaus den Hebel und die gesamte Biomechanik, die bei einer Kniebeuge angesetzt wird. Da hilft auch kein immenses Arbeiten an Faszien und Co.

Der Kopf des linken Knochen steht weiter ab

Der Kopf des linken Knochens steht weiter ab

 

Das dritte Bild zeigt die beiden Oberschenkelknochen aus der Vogelperspektive. Achtet auf den sehr unterschiedlichen Winkel, den der Kopf des Oberschenkels zu dem eigentlichen Knochen aufweist. Auf der linken Seite ist es beinahe parallel, rechts doch ein erheblicher „Knick“. Das kann durchaus dazu führen, dass eine der beiden Personen auf ein knöchernes „Hindernis“ beim Squatten trifft. Oder anders gesagt: Nummer eins wird keine Probleme haben bei einem weiten Squat, Nummer 2 hingegen schon. Vielleicht ist der piriformis doch gar nicht das Problem, weswegen No. 1 nicht genauso beugt wie Nr. 2?

 

Die beiden Oberschenkelknochen aus der Vogelperspektive

Die beiden Oberschenkelknochen aus der Vogelperspektive

Schauen wir uns die dazugehörigen Hüften an. Links im Bild seht ihr auch die zum linken Oberschenkel gehörende Hüfte. Und was seht ihr noch? Achtet auf die Gelenkpfanne für den Oberschenkelknochen. Die linke Variante lässt kaum Einblick in die Gelenkpfanne zu. Für diese Person ist ein enger Squat kein Ding. Bei der rechten Hüfte ist schlicht und einfach Knochen im Weg. Ein enger Squat ist für diese Person nicht machbar. Und das liegt weder an den Muskeln noch an Faszien, Bändern oder Sehnen.

Die Gelenkpfannen sind links besser einsehbar als rechts. Dementsprechend ist für die linke Person ein enger Squat machbar, rechts dagegen nicht.

Die Gelenkpfannen sind links besser einsehbar als rechts. Dementsprechend ist für die linke Person ein enger Squat machbar, rechts dagegen nicht.

Die Perspektive von der Seite zeigt noch einmal deutliche Unterschiede. Durch die individuelle Anatomie zeigt die Gelenkpfanne links – und damit auch der Oberschenkelknochen – nach schräg vorn und unten. Die rechte Gelenkpfanne zeigt fast genau zur Seite. Was meint ihr? Wird einer der beiden wohl besser Pistols machen als der andere? Wird einer mehr Probleme mit engen Squats haben?


Wie finde ich heraus, was die richtige Squatposition ist?

Zu 100% findet ihr das nur heraus, wenn ihr euch einem umfassenden Screening unterzieht, dass in der Regel von einem Arzt oder sehr guten und gut ausgestatteten Physio durchgeführt werden muss. Einen ersten Anhalt erhaltet ihr aber auch mit Dr. DeBell’s Quick Screening, bei dem er zunächst auf dem Bauch und Rücken liegend (dabei ist nämlich die Hüfte einmal in Extension und einmal in Flexion) die Außen- wie Innenrotation des Oberschenkels prüft. Geht beides gut, dann ist es schon mal mit relativer Sicherheit kein muskuläres Problem. Danach prüft er die ROM (Range of Motion) in der Flexion also quasi in der Kniebeuge. Im unten stehenden Video sieht man gut, dass seine Klientin bei enger Beinstellung weniger ROM hinkriegt als mit einer leicht größeren Außenrotation. Das ist ein Hinweis dafür, dass sie mit einem etwas breiteren Stand vermutlich besser fährt, was direkt im Screening dieser zwei unterschiedlichen Squatvarianten gut zu sehen ist. Beim engen Stand fällt sie nach vorn ein und kann keine neutrale Wirbelsäulenhaltung beibehalten, während ihre gesamte Form bei der weiteren Variante wesentlich schöner anzusehen ist.

 

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Fazit

Menschen sind anatomisch so individuell wie sie es auch charakterlich sind. Wir sollten daher nicht allzu eilig Rückschlüsse ziehen, wie eine bestimmte Bewegung im Einzelfall auszuführen ist. Dass sie grundsätzlich nach einem bestimmten Muster zu beurteilen und auszuführen ist – damit stimme ich überein. Grundsätzlich bedeutet jedoch immer, dass es Ausnahmen gibt. Wenn ihr oder eine(r) eurer SportlerInnen es also partout nicht schafft die Füße gerade zu halten oder eng/weit zu beugen, dann verzweifelt nicht direkt am „hoffnungslosen Fall“. Es mag vielleicht von Mutter Natur so gegeben sein. Immens wichtig ist, dass eine weitere/engere Squatposition nicht das Allheilmittel darstellt. Zur Kniebeuge gehört wesentlich mehr als nur das Hüftgelenk bzw. als Gelenkstrukturen generell. Ein schlechter Squat kann durchaus muskulär bedingt sein. Ebenso könnte das Problem in den Fußgelenken liegen, etc. Weiter/enger squatten muss daher immer mindestens daran beurteilt werden, ob die Person es schafft die Fersen auf dem Boden zu belassen, die Knie über den Füßen bzw. über deren Außenseite zu halten während der Bewegung und vor allem eine neutrale Wirbelsäulenposition – insbesondere in der LWS – beizubehalten.

 

Finish strong,
euer Art

 

The Pictures are a courtesy of: http://www.paulgrilley.com/bone-photo-gallery
Original Article: http://www.theptdc.com/2015/02/why-people-must-have-different-squat-stance/
Im Original gepostet auf: http://www.theworkoutblog.de/warum-wir-unterschiedlich-squatten-muessen/

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Geschrieben von:
Art Claas van der Heide

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