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Wirst du durch schweres Krafttraining schneller? – Wie sich Maximalkrafttraining auf deine Schnelligkeit auswirkt

Der Übertrag von schwerem Krafttraining auf schnellkräftige Sportarten

Wer eine höhere Maximalkraft besitzt, der kann nicht nur mehr heben sondern wird auch schneller.  Oft hört man, dass ein hohes Level an absoluter Kraft auch eine hohe Schnelligkeit bedingen soll. Aber wieso sehen dann die Athleten, die einen sehr explosiven Sport betreiben, wie zum Beispiel Sprinter, nicht aus wie die größten Bodybuilder? Oder wieso sprinten letztere nicht annähernd so schnell wie Leichtathleten? 

Kraft ist die Fähigkeit unseres Körpers Kraft gegen einen gegebenen Widerstand aufzubauen und diesen zu überwinden. Das kann das Heben einer Hantel sein oder das Überwinden eines gegebenen Widerstandes mit deinem eigenen Körpergewicht. (siehe hierzu auch die 10 physischen Grundfertigkeiten)

Während es bis zu einem gewissen Grad stimmt, dass ein höheres Kraftniveau die Schnelligkeit verbessern kann gibt es hierfür eine Grenze. Sprinter würden sonst wohl tatsächlich wie Bodybuilder aussehen. 

Wenn wir von unserer absoluten Kraft sprechen, was wir meist mit dem 1RM testen, dann vergessen wir gern eines: Kraft ist ermüdungsabhängig. Wenn du beispielsweise ein WoD mit schweren Gewichten hinter dir hast wird deine Fähigkeit absolute Kraft zu entwickeln nun wesentlich geringer sein als vor deinem WoD. Das Gefühl “kraftlos” zu sein nach dem WoD kennst du bestimmt. 

Die Kraftentfaltung ist abhängig von mehreren Faktoren. Dazu gehören die Länge des bewegenden Muskels, die Kontraktionsgeschwindigkeit des Muskels und ob sich der jeweilige Muskel für die Bewegung dehnt oder verkürzt. Kurzum, das Training in bestimmten Bedingungen muss uns nicht zwangsläufig auf andere Gegebenheiten vorbereiten. Das bedeutet, dass das Training einer schweren Kniebeuge im Gym nicht unbedingt deine Antrittsgeschwindigkeit auf dem Fußballplatz verbessert. Es kann aber auch heissen, dass das Training von Quarter Squats für einen Volleyballspieler, der maximale Kraftentfaltung in diesem Bewegungsausmaß benötigt, funktioneller sein kann als das Training der Kniebeuge in der vollen RoM. 

Was bewirkt schweres Krafttraining?

Schweres Krafttraining, das bedeutet Training mit Gewichten von 80% deines 1RM und höher, verbessert vor allem die Fähigkeit maximale konzentrische Kraft aufzubauen. Also dein 1RM einer spezifischen Bewegung zu erhöhen. Dabei sind vier Faktoren entscheidend:

  1. die Technik 
  2. die intermuskukäre Koordination
  3. die willkürliche Aktivierung der Muskelfasern
  4. die Änderung im Verhältnis von Muskeln und Sehnen

Technik

Die Verbesserung der Technik erhöht nicht direkt deine Maximalkraft. Sie führt dazu, dass du die gewünschte Bewegung effizienter ausführst und so mit deinem vorhandenen Kraftlevel mehr Gewicht bewegen kannst. Wenn du zum Beispiel bei einem Deadlift die Stange enger am Körper hältst hast du einen besseren Kraftarm und benötigst weniger Kraft, um dasselbe Gewicht zu heben. Oder du kannst eben mehr heben. 

Intermuskukäre Koordination

Die Intermuskuläre Koordination verbessert das Zusammenspiel aller an einer Bewegung beteiligten Muskeln. Das können die Mitspieler (Synergisten) oder die Gegenspieler (Antagonisten) sein. Wenn zum Beispiel durch eine verbesserte intermuskuläre Koordination der Triceps lockerer lässt, wenn sich der Biceps anspannen soll, dann benötigt der Biceps geringere Energie um seine Aufgabe zu erledigen. Du bewegst dich effizienter. 

Technik und Explosivität spielen in unserer Betrachtung des Übertrages von absoluter Kraft auf schnellkräftige Sportarten eine untergeordnete Rolle. 

Willkürliche Muskelfaser-Aktivierung

Die willkürliche (=willentliche, beabsichtigte) Aktivierung von Muskelfasern spielt eine wesentliche Rolle für explosive Bewegungen. Die willkürliche Aktivierung unterteilt sich in den Anteil rekrutierter motorischer Einheiten und der Frequenz der Innervation. Bei Ersterem werden die motorischen Einheiten, die in unseren Muskeln vorhanden und für Bewegung zuständig sind, zu einem größeren Anteil aktiviert, um mehr Kraft aufzubringen. Das passiert vor allem bei “langsamen” Bewegungen, wie wir sie beim 1RM Training / schwerem Krafttraining zwangsläufig haben. Auch Tempotraining findet sich hier wieder, ebenso wie isometrisches Training. Die volle Kraftentfaltung braucht hier bis zu 3 Sekunden. Für eine explosive Bewegung ist das eher nicht geeignet. 

Für Explosivkrafttraining ist die Frequenz, in der die vorhandenen und aktivierten motorischen Einheiten “feuern”, entscheidend. Eine höhere Frequenz bedeutet dass sie schneller feuern und so mehr Kraft entfalten können. Es liegt also ein schnellerer Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus vor. Explosive Bewegungen sind “vorprogrammiert“. Einmal angefangen müssen sie beinahe zwingend zu Ende geführt werden. Sie  “laufen einfach durch”. Das liegt daran, dass der explosiv arbeitende Muskel eben so schnell kontrahiert und dann aber sofort wieder locker lässt, um in den nächstne Anteil der Bewegung überzugehen. Stelle dir zum Beispiel vor du wolltest einen Sprung inmitten des Sprunges abbrechen, einen Clean abbrechen oder einen Kettlebellswing. In der Regel führst du deine Bewegung zu Ende. Ob der Lift oder die Bewegung dann am Ende von Erfolg gekrönt ist steht auf einem anderen Blatt. 

Im Gegensatz zu explosiven Bewegungen stehen die langsameren Bewegungen, die ein hohes absolutes Gewicht bewegen können, immer unter der vollen Kontrolle des Zentralen Nervensystems. So kannst du einen schweren Backsquat oder Bench Press jederzeit kontrollieren und kontrolliert abbrechen. 

Schnellkräftige Bewegungen benötigen also eine höhere Frequenz der Muskelfaseraktivierung, da dies die effizienteste ZNS-Strategie ist, um schnell eine maximale Kraft aufzubauen während die Aktivierung zusätzlicher (mehr) Muskelfasern besser geeignet ist um ein absolut höheres Gewicht zu heben, das dafür langsamer bewegt wird. 

 

Änderung im Sehnen-Muskel-Verhältnis

Veränderungen im Sehnen-Muskel-Verhältnis sind ein weiterer wichtiger Bestandteil für explosive Bewegungen. Schweres Krafttraining führt unter anderem zu einem gewissen Anteil an Muskeldickenwachstum, lateralen Kraftüberträgen, steigender Steifheit von Sehnen und eine Änderung der Muskelfasertypen. 

Muskeldickenwachstum

Während reines Hypertrophietraining besser hierfür geeignet ist wird auch bei schwerem Krafttraining die Dicke des Muskels etwas wachsen. Wer sich gern selbst bescheißt und eben mit weniger als 80+% des 1RM trainiert und dafür mehr Wiederholungen ableistet der ist vermutlich ohnehin in einem wunderbaren Hypertrophie-Bereich. Dieser Selbstbeschiss ist keine Seltenheit.

Dickere Muskeln bringen eine größere Kraftentfaltung im langsameren Bewegungsbereich, aber nicht im Bereich schneller, explosiver Bewegungen. Der genaue Hintergrund ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend belegt (1). Ein Grund könnte sein, dass durch eine veränderte Dicke die Winkel und Momente in deinen Gelenken verändert werden, was ab einem gewissen Grad zu negativen Auswirkungen führen könnte. 

Lateraler Kraftübertrag

Die meiste von Muskeln aufgebrachte Kraft wird lateral (seitlich) auf das umliegende Kollagengewebe übertragen. Sie wird dann übertragen auf die umliegenden Sehnen und die daran anhängenden benachbarten Muskeln. 

Die Kraft wird durch Querverbindungen, so genannte Kosamere, übertragen. Diese Kosamere sorgen dafür, dass mehr Sarkomere (Muskelfasern) gleichzeitig und parallel an einer Bewegung mitarbeiten. Dadurch kann mehr Kraft entfaltet werden. Die Kontraktionsgeschwindigkeit jeder einzelnen Faser verringert sich dabei allerdings. Also super für das 1RM, schlecht für den Sprint. 

Steifheit der Sehnen

Sehnen und Bänder dehnen und verkürzen sich ebenfalls zu einem gewissen Grad wenn der Muskel dies tut. Allerdings meist wesentlich langsamer. Je “beweglicher” die Bänder und Sehnen desto langsamer sind sie. Je steifer, desto eher entsprechend sie der Geschwindigkeit mit der ein Muskel sich bei explosiven Bewegungen kontrahiert. Arbeitet der Muskel wesentlich schneller als seine Sehnen und Bänder, dann geht Kraft verloren. Arbeiten sie annähernd ähnlich schnell bdeutet das eine bessere Kraftentfaltung. Deswegen sagt man auch, dass man für Sportarten mit einem hohen Kraftaufwand sowie einer hohen Explosivität nur “beweglich genug” (2) sein muss. Schweres Krafttraining führt zu steiferen Sehnen und Bändern. Bis zu einem gewissen Grad ist das hilfreich. Ab wann dieser Grad erreicht ist ist höchst individuell und sportartspezifisch. 

 

Änderung der Muskelfasertypen

Schweres Krafttraining bewirkt eine Änderung deiner Muskelfasertypen vom sehr schnellen Typ IIX zum langsameren aber immer noch schnellen Typ IIA. Inwieweit sich beim Menschen die Muskelfasertypen noch beeinflussen lassen ist leider noch nicht ausreichend belegt. 

Was aber sicher ist, ist dass explosives Training nicht mal eine annähernd so starke Auswirkung auf eine solche Typveränderung hat. 

Vermutlich hat die Reduzierung der sehr schnellen IIx-Fasern einen negativen Einfluss auf die Bewegungsgeschwindigkeit und damit einen negativen Effekt auf die Schnellkraftentwicklung. 

Was bedeutet das alles?

Schweres Krafttraining kann die Fähigkeit Kraft in hochgeschwindigen Bewegungen auszuüben verbessern, da die willkürliche Aktivierung der Muskelfasern verbessert (es werden mehr Fasern benutzt) und da es das Verhätlnis zwischen Muskeln und Sehnen beeinflusst. 

Die Steigerung der willkürlichen Aktivierung durch schweres Krafttraining ist hauptsächlich auf die steigende Innervierung motorischer Einheiten zurückzuführen und nicht auf eine höhere Frequenz der Aktivierung. Die Nutzung eines größeren Anteils motorischer Einheiten an der Bewegung kann die Kraftentfaltung in schnellkräftigen Bewegungen verbessern, ist aber vermutlich bei weitem nicht so effizient wie Erhöhung der Frequenz der Aktivierung bereits vorhandener Muskelfasern, wie es im explosiven Krafttrainingsbereich verbessert wird. 

Schweres Krafttraining bewirkt zudem ein gewisses Dickenwachstum des Muskels, laterale Kraftübertragung, Steifheit der Sehnen und Bänder und eine Veränderung des Muskelfasertyps. Muskeldicke und laterale Kraftübertragung spielen dabei keine so große Rolle für die explosive Kraftentfaltung, während die Veränderung der Fasertypen vermutlich einen negativen Effekt auf die Explosivkraft hat. Ob die Steifheit der Bänder und Sehnen von Nutzen ist hängt voraussichtlich davon ab inwiefern der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus für eine bestimmte schnellkräftige Bewegung genutzt wird. Das ist sehr individuell und stark abhängig von der jeweiligen Sportart

Kurzum, wir brauchen schweres Krafttraining, um mehr motorische Einheiten nutzen zu können und explosives Training, um die Frequenz der Aktivierung unserer Muskelfasern zu erhöhen. Vermutlich funktioniert genau aufgrund der stetigen Kombination aus Maximalkraft- und Explosivkrafttraining Louie Simmons Westside Barbell Conjugate Method so gut. 

Welches Verhältnis an schwerem und explosivem Krafttraining für dich ideal ist ist eine sehr individuelle Frage, die wir gern in einem direkten Beratungsgespräch klären können. 

Finish strong, 

dein Art

Quellen:

(1) Dr. Chris Beardsley, Strength and Conditioning Research “How does heavy strength training transfer to fast sporting movements

(2) Dr. Stuart McGill; Brian Carroll: “The Gift of Injury“, 2017

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Geschrieben von:
Art Claas van der Heide

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